Sozialstaat reloaded – Katholische Akademie Pesch-Haus wird 50

Das Heinrich-Pesch-Haus in Ludwigshafen wird 50 Jahre alt. Die katholische Akademie will in einer Gesellschaft, die zu zerreißen droht, Zusammenhalt und Geschlechtergerechtigkeit stärken.

Die katholische Kirche ist bundesweit einer der größten Träger von Erwachsenenbildung mit jährlich rund 150.000 Vortragsveranstaltungen, Seminaren und Fortbildungen – und rund drei Millionen Teilnehmenden. Bundesweit existieren nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz etwa 400 solcher Einrichtungen in katholischer Trägerschaft – darunter 22 Akademien. Eine davon ist das Heinrich-Pesch-Haus in Ludwigshafen, das 2024 sein 50-jähriges Bestehen feiert.

Dabei sind geschichtliche Parallelen von großer Aktualität. Denn der Namensgeber Heinrich Pesch (1854-1926), ein Jesuit und Volkswirtschaftler, wollte in den 1920er Jahren „gegen die radikalen Kräfte, die die Gesellschaft zu zerreißen drohen“, ein humanes Konzept des Zusammenlebens und Wirtschaftens setzen. Auf die Weimarer Republik folgte die Diktatur des Nationalsozialismus. Doch Peschs soziales Verständnis habe nach dem Zweiten Weltkrieg die Inhalte des Grundgesetzes mitgeformt, betonten die Verantwortlichen des Pesch-Hauses am Dienstag vor Journalisten.

Heute versuche das Bildungshaus an die soziale Mission seines Namensgebers anzuknüpfen, um in einer von Spaltungen geprägten Gesellschaft „den sozialen Zusammenhalt und die soziale Gerechtigkeit zu stärken“, so Direktor Tobias Zimmermann. Und dies nicht nur in akademischen Debatten, unterstrich der Jesuit. So gebe es etwa Pesch-Projekte für Schulabbrecher – immerhin 17 Prozent in Ludwigshafen und 7 Prozent bundesweit.

Zudem sei Geschlechtergerechtigkeit ein Arbeitsschwerpunkt. „Der im Grundgesetz in Artikel 3 verankerte Grundsatz, wonach Männer und Frauen gleichberechtigt sind, ist in vielen Bereichen der Gesellschaft noch nicht erreicht“, beklagte Ulrike Gentner, stellvertretende Direktorin. Das zeige sich bei Löhnen und Entgelten wie auch bei Fördermöglichkeiten von Frauen in Unternehmen. Das Pesch-Haus bietet etwa Fortbildungskurse zur Arbeit in Mitarbeitervertretungen (MAV) in Unternehmen.

Geschlechtergerechtigkeit will die katholische Akademie auch in der Sprache abbilden. „Wir verwenden zum Beispiel den Genderstern in unseren Publikationen und auf unserer Homepage“, sagte Zimmermann. Dahinter stehe kein weltanschauliches Konzept. „Wir haben aber festgestellt, dass sich Menschen durch eine bestimmte Sprache verletzt und ausgegrenzt fühlten.“ Auch wenn man „ohne eine ideologische Fahne“ an die Neuerung herangegangen sei, habe es intern eine große Debatte gegeben, „ob wir den Genderstern einführen“.

Auch innerkirchlich müsse Geschlechtergerechtigkeit vorangetrieben werden, mahnte der Jesuit. Die sei erst erreicht, wenn es „in allen Ämtern“ Gleichberechtigung gebe. „Gewisse Dinge“ seien zwar nur weltkirchlich zu lösen. Aber „ein Verhalten auf Augenhöhe“ müsse man in Deutschland jetzt schon praktizieren.

Das Heinrich-Pesch-Haus (HPH) sieht sich als „offene christliche Akademie“ und als Begegnungsforum für „gesellschaftliche Gestalter“. Seit 1974 kämen hier Menschen aus allen gesellschaftlichen Gruppen und jeden Alters zusammen, um über Religion, Spiritualität, Ethik, Bildung und Gesundheit zu diskutieren und sich zu vernetzen.

2023 lag die Zahl der Besucher des vom Bistum Speyer und dem Jesuitenorden getragenen Hauses bei rund 47.700. Damit sei wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht. Rund 5.500 Teilnehmende hätten 300 Kurse, Fachtagungen und Vortragsveranstaltungen belegt.

Der heute wenig bekannte Heinrich Pesch war Lehrer des Sozialethikers Oswald von Nell-Breuning (1890-1991) – bei dem der heutige Akademiedirektor Zimmermann noch lernte. Der Jesuit Nell-Breuning prägte Debatten über den Sozialstaat. Die will das Heinrich-Pesch-Haus auch jetzt im Jubiläumsjahr anstoßen – mit einem Programm von April bis Dezember.

Etwa mit dem Workshop „Heinrich Pesch reloaded – Wie können wir an einer solidarischen Gesellschaft mitwirken?“. Oder mit einem Begegnungstag „Pesch für die Praxis“, an dem Ehrenamtliche des Pesch-Projekts „Mahlze!t LU“ berichten. Seit der Corona-Zeit geben sie von Dienstag bis Samstag ein kostenloses warmes Essen im Wirtschaftshof des Pesch-Hauses an Bedürftige aus: rund 120 Mahlzeiten pro Tag.