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Sozialpsychologin: Corona-Aufarbeitung nicht nur im Bundestag

Raum für fairen Streit, für Trauer und für Fehler: Die Aufarbeitung der Corona-Pandemie braucht laut der Sozialpsychologin Pia Lamberty mehr als eine Enquete-Kommission im Bundestag.

Die Aufarbeitung der Corona-Pandemie über die Enquete-Kommission im Bundestag hinaus gehen
Die Aufarbeitung der Corona-Pandemie über die Enquete-Kommission im Bundestag hinaus gehenJürgen Blume / epd

Nach Ansicht der Sozialpsychologin Pia Lamberty sollte die Aufarbeitung der Corona-Pandemie über die Enquete-Kommission im Bundestag hinaus gehen. Auch auf lokaler Ebene könnte den Menschen mehr Raum gegeben werden, um zu streiten und über die Verluste in dieser Zeit zu trauern, sagte die promovierte Psychologin, die zu Verschwörungsglauben im Gesundheitsbereich forscht, dem Radiosender WDR 5.

In der Gesellschaft fehle ein Raum für Trauer, „weil Erfahrungen nicht gemacht wurden, weil man vielleicht nicht Abschied nehmen konnte von Menschen, die einem wichtig waren, weil man Dinge verloren hat“, sagte Lamberty. Dieser Schmerz wabere in der Gesellschaft und könne eigene Dynamiken entfalten. Um gegen Misstrauen anzugehen, brauche es insgesamt zudem mehr Raum zum Lernen, für Fehler, für unterschiedliche Meinungen und „für ein faires Streiten.“ Das werde zu wenig gefördert.

Wertekonflikte wurde ausgetragen

Gesellschaftliche Probleme, Kompromisse zu finden, zuzuhören und andere Meinungen zu akzeptieren, seien schon vor der Pandemie angelegt gewesen, erklärte die Sozialpsychologin. In der Pandemie und auch den darauffolgenden Krisen seien viele Wertekonflikte ausgetragen worden. Bei der Frage, wie man mit dieser Gesundheitskrise umgehen wolle, hätten viele Menschen auch im privaten Umfeld gemerkt, dass die Ansichten voneinander abwichen. Zudem hätten einige Menschen die Maßnahmen nicht mehr nachvollziehen können und als ungerecht empfunden, weil verschiedene Gruppen unterschiedlich betroffen gewesen seien.

Große Ungerechtigkeit empfunden

„Wer Geld hatte, der konnte dann vielleicht irgendwann wieder in ein Café, während dann die Jugendlichen nicht wussten, wo sie hingehen sollten“, sagte Lamberty. „Und so diese gefühlte Wahrnehmung von Ungerechtigkeit, die ist natürlich extrem schädlich, wenn man möchte, dass Menschen kollektiv so eine Krise meistern können.“

Pia Lamberty ist Mitgründerin von CeMAS, dem Center für Monitoring, Analyse und Strategie. In ihrer Forschung befasst sie sich mit Konsequenzen von Desinformation, Antisemitismus, Rechtsextremismus und Verschwörungsideologien im Rahmen von Krisen und Katastrophen. Sie promovierte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz über die Rolle des Verschwörungsglaubens im Gesundheitsbereich.