Im Sozialausschuss des Landtags gab es Konsens, dass Bayern eine unabhängige Missbrauchsaufarbeitung braucht. Das Sozialministerium sieht das anders. Die Betroffenen sehen darin eine “menschenverachtende Entscheidung”.
Das Sozialministerium hat es abgelehnt, in Bayern ein eigenes Modell zur unabhängigen Aufarbeitung von Gewalt und Missbrauch zu schaffen. Damit reagierte das Ministerium auf eine im April im Landtag eingereichte Petition, wie der Betroffenenbeirat der Erzdiözese München und Freising, der diese angestoßen hatte, am Montag bekanntgab. Im Sozialausschuss des Landtags hatte die Petition im Juli parteiübergreifend starke Befürworter gefunden. Einstimmig war beschlossen worden, das Sozialministerium zu einer sogenannten Würdigung aufzufordern. Dessen zuvor eingebrachte Stellungnahme erschien den Mitgliedern als nicht ausreichend.
In der Erklärung des Betroffenenbeirats ist nun die Rede von einer “menschenverachtenden Entscheidung”. Die Petition mit dem Titel “Gewalt an Kindern und Jugendlichen entschlossen entgegentreten” sei vom Tisch gewischt worden. Damit bleibe Bayern Schlusslicht in der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt, erklärte Sprecher Richard Kick. Denn während Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Hessen längst unabhängige, gesetzlich verankerte Aufarbeitungsstrukturen etabliert hätten, verfüge der Freistaat bis heute über keine dieser Art.
Die Folge ist laut Kick ein strukturelles Defizit. So gebe es bisher beispielsweise keine systematische Analyse, um Missbrauch und Vertuschung auch in staatlichen Einrichtungen wie Jugendämtern, Heim- und Schulaufsicht seit 1945 aufzuklären. Zudem fehle es an wissenschaftlicher Begleitung und Transparenz. Betroffene würden in der Folge immens belastet, da sie selbst die Aufarbeitung erzwingen müssten.
In der ablehnenden Begründung des Ministeriums wird angeführt, dass die Forderungen nicht zielführend erschienen, “insbesondere weil hiermit bereits bestehende Strukturen lediglich ersetzt oder aufwendige Doppelstrukturen geschaffen würden”. Vielmehr gelte es, die bereits bestehenden, wirksamen Aufarbeitungs-, Hilfs- und Präventionssysteme in allen genannten Bereichen weiter zu stärken, hieß es. Kick wies dies zurück, um Doppelstrukturen sei es nie gegangen, sondern um eine unabhängige Untersuchung kirchlicher, schulischer, familiärer, sportlicher und anderer Gewalt.