„So wichtig wie der Gang zur Apotheke“

Trotz des erneuten Lockdowns wollen Kirchen in Niedersachsen Präsenz-Gottesdienste anbieten – unter strengeren Hygiene-Regeln. Vorsichtiger handelt die Nordkirche.

Auf Einschränkungen im 2G-Modell wollen die Reformierten verzichten
Auf Einschränkungen im 2G-Modell wollen die Reformierten verzichtenThomas Lohnes / epd

Hannover/Hamburg. Die Evangelisch-reformierte Kirche in Leer rät ihren Gemeinden, trotz der derzeit noch steigenden Infektionszahlen die Kirchen an Weihnachten für Gottesdienste zu öffnen. Es sei aber auch in Ordnung, wenn Kirchengemeinden aus Sorge vor Corona auf die Feiern verzichten wollen, sagte Kirchenpräsident Martin Heimbucher. Die Entscheidung liege allein bei den Gemeindegremien vor Ort.

In ihren Empfehlungen an die Gemeinden lege die reformierte Kirchenleitung noch strengere Maßstäbe an, als zwischen dem Land und den niedersächsischen Kirchen vereinbart, sagte Vizepräsident Helge Johr. So müsse der Gemeindegesang auch bei Open-Air-Feiern weiterhin unterbleiben. Zwischen den Gottesdiensten und Andachten sollten mindestens vier Stunden liegen, insbesondere dann, wenn die Kirchen schlecht zu lüften sind. Der Einsatz von Sängern sollte auf maximal zwei Personen begrenzt werden. An Bläserensembles sollten sich höchstens fünf Musiker beteiligen. An den geplanten Open-Air-Gottesdiensten dürften höchstens 200 Menschen teilnehmen.

„Selbst wenn es Gegenwind gibt“

Der Bischofsrat der hannoverschen Landeskirche hat die Kirchengemeinden vor Ort ermutigt, an den geplanten Weihnachtsgottesdiensten und anderen Formen des Feierns festzuhalten. In einem Brief an alle 1.235 Gemeinden ruft der Bischofsrat die Kirchenvorstände und Pfarrämter zugleich zu verantwortlichen Entscheidungen vor Ort auf. „Was auch immer wir entscheiden, wir ernten Widerspruch.“ Wenn sich die Gemeinden jedoch an die Handlungsempfehlungen der Landeskirche hielten, seien sie auf der sicheren Seite: „Wir stehen hinter ihnen, selbst wenn es Gegenwind gibt.“

Zu den geplanten Angeboten an den Feiertagen gehören neben Präsenz-Gottesdiensten unter strengen Hygieneauflagen in Kirchen oder im Freien auch digitale Formate des Gottesdienstes und Textvorschläge für Weihnachtsandachten zu Hause. Gemeinden würden von der Kirchenleitung auch unterstützt, wenn sie nicht an den bisherigen Planungen festhielten, heißt es in dem Brief des Bischofsrats, der am Donnerstag veröffentlicht wurde.


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Auch die Theologin Margot Käßmann rief die Ortsgemeinden auf, trotz der Kontaktbeschränkungen Gottesdienste für Besucher anzubieten. Für viele Christen seien Gottesdienste „so wichtig wie der Gang zum Lebensmittelladen oder zur Apotheke, weil sie Trost und Ermutigung des Evangeliums genauso dringend brauchen wie Brot oder Medizin“. Es gebe viele kreative Konzepte, auf verantwortliche Weise Gottesdienste unter Corona-Bedingungen anzubieten, ohne dass sie zum Superspreader-Event würden, sagte die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) dem epd.

Vorsichtiger handelt die Nordkirche. Sie habe großes Verständnis, wenn Gemeinden ihre Präsenzgottesdienste an Weihnachten absagen, sagte Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt in einer Videobotschaft an die Gemeinden am Donnerstag. Im Zweifel sollten Gottesdienste eher abgesagt werden. Die endgültige Entscheidung darüber liege aber bei den Gemeinden vor Ort. Diese Freiheit bedeute auch eine hohe Verantwortung. Kühnbaum-Schmidt: „Verantwortung ist Christenmenschen zumutbar.“ (epd)