So praktisch dachten die Mönche

Die Insel Reichenau steht in diesem Jahr im Zeichen des Jubiläums. Vor 1.300 Jahren erhielten Mönche den Auftrag, die Insel in Besitz zu nehmen und zu besiedeln, so berichtet es eine alte Urkunde. Für das Jubiläum hat die Inselgemeinde einiges auf die Beine gestellt.

Wer sich der Geschichte der benediktinischen Kultur am Bodensee nähern will, ist im neuen Klostergarten richtig. Das Areal gleich hinter dem Münster St. Maria und Markus in Mittelzell wurde großzügig erweitert, frisch begrünt und mit Ruhemöbeln ausgerüstet.

Der bisherige Klostergarten war in die Jahre gekommen. Deshalb hatten sich Gemeinde, Kirche und namhafte Sponsoren zusammengefunden, um aus dem unscheinbaren Krautland wieder ein Stück Grünland zu schaffen, das wie eine leise Vorahnung auf das Paradies wirken soll.

Es hat eine gute und lange Tradition auf der Insel: Der Reichenauer Mönch und spätere Abt Walahfried Strabo (808-849) schrieb ein kunstvolles Lehrgedicht in lateinischer Sprache. Er nannte seine Schrift „Hortulus“, auf Deutsch „Gärtlein“. Bald darauf wurde es zu einem der meistgelesenen und -kopierten Werke des Mittelalters.

Das Gartenbuch ist zutiefst praktisch: Es empfiehlt eine überschaubare Zahl von 24 Pflanzen und Heilkräutern zum Anbau und erklärt zugleich, wozu Kürbis, Knoblauch oder Eberraute gut sein sollen. Walahfried verbindet mönchische Gelehrsamkeit mit einem geschmeidigen Latein und den Kenntnissen im Gartenbau, die sich sein Orden seit der Niederlassung im Jahr 724 erworben hat.

In der neu gestalteten Anlage werden alle 24 Pflanzen angebaut und erklärt. Auch die Kommentare von Walahfried werden auf Tafeln zitiert. Schlafmohn solle man aus medizinischen Gründen anbauen, empfahl der Mönch gegen Schlaflosigkeit.

Und drei der Pflanzen sollen heilsam sein bei offenen Wunden, wie sie die Kämpfer damals davontrugen: Kerbel, Petunie und Katzenminze möge man kultivieren und später auf die verletzten Glieder legen, heißt es im „Hortulus“. Das Buch atmet den Geist seiner Zeit. Es entstand im kriegerischen 9. Jahrhundert, als sich Kaiser Karl der Kahle (823-877) gegen den Ungehorsam seiner Söhne behaupten musste.

Außer an Nutz- und Heilpflanzen hat Walahfried an die Schönheit gedacht. Sein Lehrbuch sieht auch Lilien und Rosen für den Anbau vor. In der Bildsprache des Mittelalters sind beide Blumen eng mit dem christlichen Glauben verknüpft: Lilien gelten als Symbol der Unschuld, Rosen als Zeichen für Maria.

Im neuen Klostergarten hat sich noch etwas geändert: Der ehemalige und längst abgerissene Kreuzgang wurde wieder sichtbar gemacht durch 32 Linden. Die Bäume markieren jetzt das Quadrat, das im Mittelalter aus Steinen errichtet war und den Kreuzgang bildete, eines der Zentren des Klosters.

Doch der Niedergang der Abtei um 1600 war so drastisch, dass der Konstanzer Bischof Jakob Fugger die quadratische Anlage niederreißen ließ. Seitdem war das Gelände verwaist.

Heute kommen Besucher, Gartenliebhaber und Kunstfreunde nicht nur, um die Blumen zu betasten und an ihnen zu riechen oder herzhaft am Liebstöckel zu zupfen. Inmitten der großzügigen Anlage finden sich auch Ruhebänke, sowohl im Arzneigarten wie auch im Kreuzgang.

Wer die Reichenau besucht und einen ruhigen Fleck sucht, an dem er zum Rucksackvesper greifen kann, ist hier gut aufgehoben. Auch Familien können sich hier niederlassen und Pause machen. (1371/20.06.2024)