So feierte der Norden den Jahrestag des Mauerfalls

Mit zahlreichen Veranstaltungen ist im Norden an den Mauerfall vor 30 Jahren erinnert worden. Dabei wies die Nordkirchen-Landesbischof Kühnbaum-Schmidt darauf hin, dass der 9. November ein „ambivalenter Gedenktag“ sei.

Die Bischöfe Gothart Magaard (li.) und Tilman Jeremias im Grenzmuseum Schlutup
Die Bischöfe Gothart Magaard (li.) und Tilman Jeremias im Grenzmuseum SchlutupAndreas Koeppe

Lübeck-Schlutup/Dassow/Ratzeburg. Mit Volksfest, Trabbi-Rallye und Lichterprozession haben die Menschen im Norden am 9. November an die friedliche Revolution und den Fall der Mauer vor 30 Jahren erinnert. Bischöfe der evangelischen Nordkirche und des katholischen Erzbistums luden zu Gottesdiensten, und die Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), und Schleswig-Holstein, Daniel Günther (CDU), feierten mit den Bürgern in Dassow (Landkreis Nordwestmecklenburg), Lübeck-Schlutup und Ratzeburg.

„Wie einen wertvollen Schatz“ sollten die Menschen ihre Erinnerung an den 9. November 1989 aufheben, sagte der Greifswalder Bischof Tilman Jeremias. Und wenn es im Land Streit gebe, Ohnmachtsgefühle oder Spannungen, dann sollten die Menschen diese Erinnerungen auspacken „und schauen, was sie aus dem 9. November 1989 lernen können für die Gegenwart“, sagte er im gemeinsamen Gottesdienst mit dem Schleswiger Bischof Gothart Magaard in Schlutup. Gemeinsam solle an diesem Tag das Verbindende gesucht und gefeiert werden, sagte Magaard. Am Übergang Schlutup hatte am 9. November 1989 um 21.53 Uhr der erste Trabbi die Grenze passiert.

„Ergriffen und begeistert“

Erzbischof Stefan Heße sagte, er sei noch heute „ergriffen und begeistert“ vom Mut der damaligen DDR-Bürger, mit dem sie einen ganzen Staat zu Fall gebracht haben. „Ohne diesen Mut stünde ich nicht hier, weil es ohne diesen Einsatz das Erzbistum Hamburg nicht geben würde.“

Gemeinsam feierte er am Abend einen ökumenischen Gottesdienst im Ratzeburger Dom mit der Landesbischöfin der Nordkirche, Kristina Kühnbaum-Schmidt. Als „ambivalenten Gedenktag“ bezeichnete Kühnbaum-Schmidt den 9. November und rief die Pogrome vor 81 Jahren ins Gedächtnis. „Während heute die Grenzöffnung vor 30 Jahren gefeiert wird, müssen zugleich die Sicherheitsvorkehrungen vor Synagogen und jüdischen Einrichtungen verschärft werden.“ Angesichts dessen sei es ermutigend und notwendig, „dass viele Menschen in Ost und West zusammenstehen gegen Hass, Hetze und Rassismus, in Worten und Taten Solidarität und Verbundenheit zeigen mit denen, die angegriffen werden.“

Auch in Niedersachsen ist der 30. Jahrestag der Grenzöffnung gefeiert worden. Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister und der Lüchower Propst Stephan Wichert-von Holten setzten gemeinsam mit anderen Gästen aus dem Landkreis Lüchow-Dannenberg mit der Fähre von Schnackenburg aus über die Elbe ins brandenburgische Lütkenwisch über.

Unterschiedliche Lebenswege

In einem Gottesdienst unter dem Motto „Freiheit im Fluss“ predigte Meister dort im Dialog mit der Potsdamer Generalsuperintendentin Heilgard Asmus. Sie erinnerten an den Umgang mit den jeweiligen Nationalhymnen in Ost und West, an Verbindendes und Trennendes. „Ich bin überzeugt, dass unsere Erinnerung Haltepunkte braucht“, sagte Asmus. „Das können Mauersteine sein für versagte Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit in der DDR.“

Meister fügte an, auch im 30. Jahr nach der Grenzöffnung dürften die unterschiedlichen Lebenswege in Ost und West nicht unbeachtet bleiben. „Haben wir den Mut die Geschichte des anderen, die verlorenen Hoffnungen, die unerfüllten Träume ernst zu nehmen? “ Die Feier war auch offizieller Festakt des Landkreises Prignitz.

Alte Verbindungen leben wieder auf

Der Landkreis Lüneburg erinnerte mit einem Festakt in der Marienkirche in Neuhaus an der Elbe auch an die besondere Geschichte der Region. Das in der früheren DDR gelegene Amt Neuhaus wurde infolge der Grenzöffnung wieder Teil Niedersachsens. Der evangelische Kirchenkreis Lüneburg und die Kirchengemeinde Neuhaus-Tripkau feierten am Abend einen Gottesdienst in der Tripkauer Kirche.

Mehr als 40 Jahre lang waren Familien und Freunde aus dem Landkreis Lüneburg und dem Amt Neuhaus durch die innerdeutsche Grenze entlang der Elbe getrennt. Mit der Grenzöffnung 1989 lebten alte Verbindungen wieder auf. Viele Menschen im Amt Neuhaus wünschten sich, wieder zu Niedersachsen und zum Landkreis Lüneburg zu gehören. Mit einem Staatsvertrag wurde am 29. Juni 1993 in Schwerin die Rückgliederung vollzogen. Bereits 1992 war die Region kirchlich betrachtet wieder in die evangelische Landeskirche Hannovers zurückgekehrt, zu der sie trotz der innerdeutschen Grenze noch bis 1972 gehörte hatte. (epd)