So erlebt eine taubblinde Frau Weihnachten
Weihnachten ist für Gabi Werner eine Zeit ohne Musik und Lichterglanz. Sie kann weder hören und kaum sehen. Umso mehr zählen andere Sinneseindrücke und der Besuch bei der Familie.
Für Gabi Werner ist heute schon kurz Weihnachten gewesen. „Als ich eben an der Kantine vorbeikam, habe ich den Punsch gerochen“, schwärmt die 63-jährige Frau. Crêpes und Schmalzkuchen seien weitere Weihnachtsbotschafter, erzählt sie. „Wenn ich die rieche, dann kommt Weihnachtsstimmung auf.
Während sich andere Menschen wohl besser mit Musik und Lichterglanz auf das Fest einstimmen, ist Gabi Werner ganz auf ihren Geruchs- und Geschmackssinn angewiesen. Denn sie ist taubblind, sie kann weder hören und kaum noch sehen.
Inklusiver Weihnachtsmarkt im Taubblindenwerk
Der inklusive Weihnachtsmarkt im Taubblindenwerk in Hannover, der am vergangenen Adventssonntag stattgefunden hat, ist deswegen für sie einer der Höhepunkte in der Vorweihnachtszeit. Und das liegt nicht nur an den Crêpes und anderen Köstlichkeiten, die schon von weitem zu riechen sind. „Ich freue mich auf die vielen Eindrücke und den Austausch mit anderen“, sagt Gabi Werner. Taubblinde wie sie können hier mit Angehörigen und Freunden zusammenkommen. Es gibt Kunsthandwerk zu erfühlen und zu kaufen. Familien mit Kindern kommen beim Schminken auf ihre Kosten, und für Hörende spielen Bands Weihnachtslieder.
Der Isolation der Taubblinden gelte es vor allem entgegenzuwirken, sagt Volker Biewald, der Geschäftsführer des Deutschen Taubblindenwerks in Hannover. „Denn die Welt der Taubblinden reicht nur eine Armlänge weit. Alles andere bleibt für sie abstrakt.“ Besonders schwierig sei es für die Taubblinden, weil sie ihre Behinderung nicht durch die übrigen Sinne ausgleichen könnten. Der Assistenzbedarf sei hoch.
Taubblindenwerk: Erhalt einer weitgehenden Selbstständigkeit der Taubblinden
Und so bietet das Taubblindenwerk eine Frühförderung für hörsehbehinderte Kinder, einen Kindergarten mit fünf Plätzen und eine Schule, in der rund 80 Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 18 Jahren unterrichtet werden können. 60 Taubblinde wohnen in der Einrichtung und 60 Menschen können sich in den Werkstätten betätigen, zählt Biewald die Bemühungen auf. Ziel der Einrichtung in Hannover-Kirchrode und einer weiteren in Fischbeck sei der Erhalt einer weitgehenden Selbstständigkeit der Taubblinden.
Auch Gabi Werner, die von Geburt an taub ist und vor rund 20 Jahren fast vollständig erblindete, wohnt in dieser Einrichtung. „Früher habe ich noch als Masseurin gearbeitet.“ Sie sei viel unterwegs gewesen, doch mit der zunehmenden Erblindung habe sich alles geändert, erzählt sie. „Gehörlos sein war nichts im Vergleich zur Taubblindheit. Manchmal bin ich immmer noch sehr traurig.“
Gabi Werner „lormt“ mit ihrer Freundin
Doch trotz ihrer Behinderung bemüht sich Gabi Werner um den Kontakt zur Außenwelt. Sie lese Tageszeitungen und Magazine mithilfe eines Vergrößerungsgeräts und telefoniere mit einem Handy, das mit der Blindenschrift Braille arbeitet.
Unterstützt wird sie bei Gesprächen auch von Heil- und Erziehungspflegern wie Jasmin Grube. Beide nutzen das Lormen-Alphabet, bei dem der „Sprechende“ punkt- oder strichförmig die Handinnenflächen des „Lesenden“ berührt. Mit ihrer Freundin, die ebenfalls im Taubblindenwerk wohnt, hat Gabi Werner sogar eigene Abkürzungen entwickelt. Besonders wichtig ist ihr jedoch der Kontakt zu ihrem Vater und ihrem Bruder in Essen. „Weihnachten ist, wenn ich bei ihnen bin.“