Modernes Handwerk mit langer Tradition: So arbeitet eine Weberin

Kathrin Niemeyer ist Handwebmeisterin. Ihr Handwerk gibt es seit tausenden Jahren, die Technik ist noch fast gleich. In der Werkstatt in Schleswig-Holstein stellt sie Stoffbahnen für Kirchen her.

Handwebmeisterin Kathrin Niemeyer bei der Arbeit
Handwebmeisterin Kathrin Niemeyer bei der Arbeitepd-Bild / Hagen Grützmacher

Wer die Werkstatt von Kathrin Niemeyer betritt, fühlt sich in eine andere Zeit zurückversetzt. Die 56-Jährige sitzt an einem Webstuhl aus Holz und flechtet sorgfältig grüne und gelbe Fäden. Ein Handwerk, dass es so schon seit tausenden Jahren gibt. „Diese Technik, dass ich die Fäden im rechten Winkel verkreuze, die gibt es schon seit Menschen angefangen haben zu flechten, um Matten zu machen, auf die dann Lehm geworfen wurde, für den Häuserbau“, sagt die Handwebmeisterin. Ihr Beruf sei einer der ältesten der Menschheit.

Die Arbeitsräume von Niemeyer und ihrer Kollegin Eva Brauer liegen malerisch am Ratzeburger See in Schleswig-Holstein. Hier stellen die beiden Frauen nach alter Handwerkskunst Stoffbahnen her, vor allem für evangelische Kirchen. Die sogenannten Paramente sind später am Altar oder an der Kanzel zu sehen. Ein gutes halbes Jahr dauert die Fertigstellung.

Weberin: Für Kathrin Niemeyer ein Kindheitstraum

Der Beruf ist für Niemeyer ein echter Kindheitstraum. „Ich hatte schon als Grundschulkind einen kleinen Webstuhl“, erzählt sie. „In der 11. Klasse habe ich in den Sommerferien ein Praktikum in einer Weberei gemacht, drei Wochen lang.“ Die dortige Meisterin schrieb ihr ein sehr gutes Zeugnis und sagte zum Abschied: „Natürlich wirst du Weberin.“ Danach begann Niemeyer die Ausbildung.

Die am Webstuhl hergestellten Werkstücke verziert Eva Brauer mit Stickereien. Sie ist Handstickmeisterin. Die Linien und Ornamente, die sie einfügt, sollen die Details der gewebten Stoffe später unterstreichen. Beim kreativen Prozess gibt es trotz aller Sorgfalt auch mal Rückschläge. „Der grüne Strich hier auf dem gelben Stoff, sollte sanft auslaufen. Das ist noch zu hart. Das gefällt mir nicht so“, sagt Brauer. Also wird die Stickerei entfernt und neu gemacht.

Paramentenwerkstatt der Evangelischen Stiftung Alsterdorf

Jeder Auftrag beginnt mit Vorgesprächen und einem Besuch in der Kirchengemeinde, in der das Stück einmal hängen soll. Kathrin Niemeyer schaut sich vor Ort an, wie viel Licht in den Raum fällt und welche Farbgestaltung es gibt. Dann erst entwickelt sie zusammen mit den Kunden ein Konzept. „Und dann probieren wir vor Ort aus, was am besten passt und rücken auch mal das Lesepult an eine andere Stelle“, sagt die Handwebmeisterin und lacht. Ein wenig „Gemeindepädagogik“ nennt sie die Gruppentermine mit ihren Kunden.

Anfragen an die Paramentenwerkstatt der Evangelischen Stiftung Alsterdorf kommen hauptsächlich aus Norddeutschland, aber auch aus Holland oder Österreich. In ganz Deutschland gibt es nur sechs Einrichtungen, die sich auf die Herstellung und die Restaurierung von Paramenten spezialisiert haben.

Für das Kirchenjahr gibt es verschiedene Farben

In Ratzeburg ist alles Handarbeit. Sogar das Garn für die Stoffe färbt Niemeyer oft selbst, um genau den richtigen Farbton zu treffen. Im Lager steht ein riesiges Regal aus dunklem Holz, voller Garnrollen. „Und dann komme ich in dieses Garn-Lager, was so viel zu bieten hat und suche einen speziellen Farbton und finde doch nicht den, den ich gerne hätte.“ Für das Kirchenjahr gibt es verschiedene Farben, je nach Jahreszeit. Im Frühjahr und Sommer ist es vor allem grün. Das symbolisiert zum einen die Natur, zum anderen das Wachsen im Glauben, sagt die Handwebmeisterin.

Etwa 5.000 Euro kosten die Arbeiten der beiden Frauen, je nach Größe und Machart. Nicht günstig, aber bei richtiger Lagerung halten die Stücke mehrere Jahrzehnte.