Skulpturen von Walter Green im Schleswiger Dom

Es geht ums Werden und Vergehen, um die Suche nach dem, was die Welt im Innersten zusammenhält.

Vom 23.4. bis zum 24.6.2017 sind die Holzskulpturen von Künstler Walter Green im Schleswiger St.-Petri-Dom zu sehen.
Vom 23.4. bis zum 24.6.2017 sind die Holzskulpturen von Künstler Walter Green im Schleswiger St.-Petri-Dom zu sehen.Kirchenkreis Schleswig-Flensburg

von Ralf-Thomas Lindner

Schleswig. Skulpturen aus alten Eichenbalken aus Abrisshäusern stellt der Bildhauer Walter Green derzeit im Schleswiger Dom aus. Das Besondere an dieser Ausstellung ist, dass ausdrücklich erlaubt ist, was sonst meist streng verboten ist: Die Ausstellung heißt "Bitte berühren".

Austellung geht bewusst neue Wege

Den Titel der Ausstellung darf man getrost als Einladung verstehen. Die intellektuelle Auseinandersetzung mit Kunst hat eine lange Tradition. So beschreibt Thomas Bernhard in seinem Buch "Alte Meister", wie sich Deutsche durch ein Museum bewegen: in der Mitte der Säle auf den Teppichen entlang, ihre Nasen tief in den Katalog versenkt. Kaum einen Blick werfen sie auf die Originale an den Wänden. Das sei auch nicht nötig, es steht ja alles im Führer, erklärte der österreichische Schriftsteller ironisch. Walter Green dagegen lädt ausdrücklich dazu ein, mehr aus einem Kunstwerk herauszuholen. Besucher sollen etwas mit seinen Skultpuren erleben, ihnen entgegentreten, sie berühren und erspüren und dabei ihren Emotionen freien Lauf lassen.

Green selbst hat früh angefangen, seine Kraft und Kreativität gerade aus diesem Berühren und gleichzeitig Berührenden zu ziehen. In seinem Lebenslauf schreibt er: "Geboren. Erste Erfahrungen im Modellieren an der Mutterbrust. Als es dafür irgendwann etwas an die Ohren gab, Hinwendung zu schmackhaftem Werkstoff aus Haferbrei und Milchreis." Die weiteren Stationen des in Eckernförde geborenen Künstlers: "Aufgewachsen im Geruch der großen Freiheit: Fischkisten im Vorgarten und Schweine im Hinterhof. Die große Freiheit beschränkte sich zunächst auf eine vielbesegelte Pfütze auf dem Weg vor der Haustür." Es folgen sehr bald "erste Holzbearbeitungen an der Schulbank in der Nähe des Tintenfasses. Nachmittags erfreuten sich drei Dinge in ihrer natürlichen Affinität aneinander: ein Junge, ein Stock und ein Küchenmesser."

Die Hölzer haben alle eine Geschichte

Irgendwann zog sich Green auf einen ostholsteinischen Resthof zurück, den er nach "biologisch-chaotischen Gesichtspunkten" bewirtschaftete. Seit 1999 lebt er in einem ehemaligen Gutshaus in Mecklenburg und widmet sich vollständig der Bildhauerei.
Die Hölzer, die Green für seine Skulpturen verwendet, haben eine lange Geschichte. Es sind Balken, Pfähle und Schwellen. Die Spuren der ehemaligen Verwendung sind an den Kunstwerken noch zu sehen. "Nach Jahrhunderten des häuslichen Dienens sind die Balken irgendwann aus ihrer Funktion befreit. In neuer Form stehen sie jetzt als ’nutzlose‘ Skulpturen vor uns", erklärt der Künstler. Im Inneren dieser Balken finde man Holz "von geradezu leuchtender Reinheit". Das Äußere zeigt Lebensspuren, bewusste Bearbeitungen, Abnutzungen durch Naturgewalten und zufällige Verletzungen. Im Spannungsfeld von außen und innen liegt für Green gleichzeitig die Spannung zwischen "eros" und "thanatos", Liebe und Tod.

Skulpturen erzählen von ihrem Leben

Beim Berühren der Skulpturen, der samtig-warmen Oberfläche des Holzes, werden Empfindungen und Emotionen angesprochen. Wer sich dieser Botschaft öffne, so Green, könne sich in eigene Räume führen lassen. "Die Skulpturen wirken dabei wie Meeresschnecken, die wir uns an das Ohr halten: Sie erzählen uns rauschend von ihrem Leben, und doch ist es unser eigenes Blut, das wir darin wahrnehmen." Etwas berühren zu wollen, um es zu begreifen, das ist eine archaische Technik, findet Green. Nur in der Kombination aller menschlichen Sinne könne man bestenfalls etwas vollständig erfahren.

Info

Die Ausstellung ist bis 24. Juni täglich während der Öffnungszeiten von 9 bis 17 Uhr im St.-Petri-Dom, Norderdomstraße, zu sehen. Der Eintritt ist frei. www.kirchenkreis-schleswig-flensburg.de.