„Sister Boniface“ steckt die Polizei locker in die Tasche

Wer „Inspector Barnaby“ und „Father Brown“ mag, kommt bei den „Sister Boniface Mysteries“ voll auf seine Kosten. Denn hier ermittelt eine katholische Nonne in England und lässt die Polizei ziemlich ungläubig aussehen.

Inspector Barnaby hat eine Schwester! Eine Ordensschwester. Zu keinem anderen Schluss kann kommen, wer in die ab 10. Januar im ARD-Spartenkanal One laufende BBC-Serie „Sister Boniface Mysteries“ schaltet. Die kriminalistische Handlung ist zwar weiter südlich angesiedelt als das fiktive Örtchen Midsomer, in dem Barnaby den „Midsomer Murders“ nachspürt, wie die Serie im Original heißt. Doch Schwester Boniface ermittelt in einem genauso fiktiven Ort namens „Great Slaughter“ (Großes Gemetzel), was schon Reverenz und Fingerzeig genug ist.

Wobei die „Sister Boniface Mysteries“ noch ein bisschen weniger ernst gemeint sind als „Inspector Barnaby“ im öffentlich-rechtlichen Schwesterprogramm ZDFneo. Das belegen auch die herrlich überzeichneten Charaktere, die in der ersten Folge „Willkommen in Great Slaughter“ die idyllische Landschaft bevölkern. Da gibt es etwa den feisten Polizeichef, der natürlich beim Tod des reichen Industriellen Bellamy mit an der Festtafel saß und nichts mitbekommen hat. Die Ermittlungen übernimmt sein leicht schläfriger Kollege Sam Gillespie (Max Brown), doch auch der überlässt die eigentliche Detektivarbeit lieber Schwester Boniface (Lorna Watson).

Diese hat schließlich einen Abschluss in forensischer Kriminalistik und eine weinrote Vespa mit Beiwagen, mit der sie durch das postkartenenglische Idyll rast. Das entspricht zwar nicht ganz dem Anspruch ihres Ordens. Aber Schwester Boniface stellt ja auch Wein her und kann alles theologisch prima begründen: „Unser Herr bittet um Gehorsam, Keuschheit und Armut. Von alkoholischer Abstinenz ist keine Rede!“

Aber jetzt ist Great Slaughter in heller Aufregung, schließlich findet das jährliche „Mangold Wurzel Festival“ statt, dass auch im englischen Original so heißt und alle möglichen Spielchen wie Rote-Beete-Weitwurf und Strohsack-Wettrennen bietet. Doch beim Kohlkopf-Abwurf steckt plötzlich eine echte Leiche hinter der vermeintlichen Puppe. Grace Pearson hatte als Dienstmädchen bei den Bellamys gearbeitet, die in ihrem noblen Landsitz prompt allesamt unter Verdacht geraten. Schließlich hatte die Tochter des Hauses in Grace eine echte Freundin gesehen und sie mit feministischer Literatur versorgt, was bei dienstbaren Geistern gar nicht so gerne gesehen wird. Und dann hatte Grace der Kummerkastentante des Lokalblatts noch eine kryptische Frage gestellt, die das Ableben von Bellamy Senior endgültig als Mord formulierte…

Doch Krimi-Puristen seien gewarnt. Die „Sister Boniface Mysteries“ sind, was Plot und Spannung angeht, nicht allzu tiefschürfend. Das sollen sie auch gar nicht sein. Schließlich handelt es sich um ein mild-freundliches „cosy mystery detective period comedy drama“, wie es die Macher schon vor rund zehn Jahren bei „Father Brown“ mit viel Lokalkolorit und Liebe zum (Ausstattungs-) Detail abgeliefert haben. Schon hier hatte Schwester Boniface einen ersten Auftritt, damals noch in einer Nebenrolle.

Und so gibt es herrliche Pullunder, enge Beinkleider, hochtoupiertes Haar, alte TV-Geräte und Autos sowie jede Menge höchst unterschiedlicher Telefonapparate zu bewundern. Die Eisenbahn fährt natürlich noch mit Dampf und spuckt gleich zu Anfang Detective Sergeant Felix Livingstone (Jerry Iwu) aus. Der stammt von den Bermudas und soll offenbar den British Commonwealth vertreten. Bloß ist er versehentlich statt zu Scotland Yard nach London in dieses ländliche Nest geschickt worden, was ihn erst recht fremdeln lässt.

Das Ganze ist wie „Father Brown“ garniert mit harmlosen Frotzeleien – gerne auch mal über Kirche und Glaubenssachen. Für bekennende Fans britischer Teapartys ein großer Spaß, der in der zweiten Folge weitergeht und sich gleich selbst mit auf die Schippe nimmt. Denn jetzt wird im Kloster eine Krimi-Serie gedreht, was der ehrwürdigen Ordensoberin natürlich gar nicht passt.

Leider ist die deutsche Synchronisation – wie bei „Inspector Barnaby“ – derart rundgelutscht, dass man selbst fast morden möchte. Doch weil die ARD das geahnt hat, gibt es die „Sister Boniface Mysteries“ zum Glück auch im Zweikanalton.