Single Shaming: Alleinstehende wünschen sich mehr Akzeptanz

Fast jeder dritte Deutsche ist Single. Viele von ihnen fühlen sich nicht wertgeschätzt, teilweise sogar diskriminiert. Das ist auch in vielen Kirchengemeinden der Fall.

Buchautorin Rebekka Gohla aus Mülheim an der Ruhr mit ihrem Buch "Ich mag Kekse"
Buchautorin Rebekka Gohla aus Mülheim an der Ruhr mit ihrem Buch "Ich mag Kekse"epd-Bild / Udo Gottschalk

„Wie? Du bist Single?“ Solche Fragen kennt Rebekka ziemlich gut, nicht nur rund um den Valentinstag am 14. Februar. Die 34-Jährige aus dem Ruhrgebiet ist seit jeher Single, wie sie selbst sagt. Die meiste Zeit kommt sie wunderbar klar mit ihrem Beziehungsstatus. Manchmal gebe es Situationen, in denen sich die Sozialpädagogin einen Partner wünscht. „Aber zu 95 Prozent bin ich entspannt damit“, betont die junge Frau.

Laut einer Umfrage der Online-Partnerbörse ElitePartner leben fast 23 Millionen Deutsche zwischen 18 und 65 Jahren als Single, die meisten von ihnen in Großstädten wie Hamburg und Berlin. Viele Alleinstehende sind der Umfrage zufolge überzeugte Singles, insbesondere Frauen.

Alleinstehende Menschen erleben häufig „Single Shaming“

Unter dem Begriff versteht man das gesellschaftliche Herabsetzen von Singles. Im Netz finden sich kreative Antworten, wie Alleinstehende auf unliebsame Fragen nach ihrem Beziehungsstatus reagieren können. In sozialen Netzwerken werben Single-Aktivistinnen und -Aktivisten für mehr Verständnis.

Auf dem Instagram-Account „singleindergrossstadt“ und in einem Blog will etwa die Hamburgerin Julia Beyer mit Vorurteilen brechen. Die junge Single-Frau gibt unter anderem Tipps für Single-Reisen sowie entspannte Weihnachtsfeiertage alleine und berichtet von sonstigen Vorzügen des Single-Lebens.

Auch Rebekka macht in ihrem Podcast „beziehungsstatusgeliebt“ anderen Singles Mut: „Menschen sollten ihren Single-Status nicht als Problem sehen, sondern mit Humor nehmen.“ Ihr Umfeld sei mittlerweile sensibilisiert und belästige sie nicht mit irgendwelchen Verkupplungsversuchen. „Klar würden sie sich freuen, wenn ich jemanden kennenlerne, aber ich spüre keinen Druck“, sagt die Podcasterin.

Auch in der Kirche müssen sich Singles oftmals rechtfertigen

Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die Tobias Faix, Professor für Praktische Theologie an der CVJM-Hochschule in Kassel, 2020 veröffentlicht hat. Dafür befragte der Theologe mit seinem Team 3.200 evangelische Singles im deutschsprachigen Raum.

Ein Drittel der christlichen Singles sagte demnach, dass sie sich in der Kirche diskriminiert fühlen. In vielen Gemeinden werde immer noch ein sehr traditionelles Familienbild gepredigt, sagt Faix: „Viele Kirchengemeinden haben die am stärksten wachsende Gruppe viel zu wenig im Blick.“ Es gehe nicht nur um konkrete Angebote für Singles, sondern um die Haltung. „Singles sind keine Randgruppe“, betont Faix. Alleinstehende Menschen könnten interessante Perspektiven ins Gemeindeleben einbringen. Sie seien autonom, hätten gelernt, auf sich allein gestellt zu sein.

Einige Gemeinden sind bereits um Singles bemüht, zum Beispiel die Freie evangelische Gemeinde Osnabrück. Um Singles einzubinden, hat die Gemeinde das Leitungsteam um eine Single-Person erweitert, wie ein Mitarbeiter berichtet. Regelmäßig gibt es Veranstaltungen, die bewusst Singles ansprechen wie etwa ein Seminartag im März, in dem es auch um das Thema Sex gehen soll.

Lieber Single als verkrampft in einer Beziehung

Auf der Internetseite „singlesundkirche.de“ bündelt das Amt für Gemeindedienst in der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern sämtliche Angebote für Singles in den Gemeinden. Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau gibt auf ihrer Website Tipps zur entspannten Partnersuche ohne Druck. Auf der Homepage des Erzbistums Kölns sind ebenfalls Angebote für Singles gebündelt, es gibt einen Ansprechpartner für interessierte Userinnen und User.

Solche Bemühungen können allerdings auch nach hinten losgehen. Viele Singles wollen nicht als gesonderte Gruppe gelten, sondern sich als Teil einer Gemeinschaft fühlen, lautet eine Erkenntnis der Studie von Faix.

Für Marko Rogge zum Beispiel wäre all das nichts. Der 50-Jährige ist seit drei Jahren Single, wie er erzählt. „Ich bin lieber Single als verkrampft in einer Beziehung“, sagt der Frankfurter. „Viele Menschen können einfach nicht alleine sein, die haben das nicht gelernt.“

Marko ist überzeugt: „Man kann auch als Single ein gutes Leben haben.“ Und übrigens auch Sex. Auch das werde in Kirchen oft übersehen, sagt Faix. „Klar, ich habe vielleicht nicht so regelmäßig Sex, aber ich habe Sex“, stellt Marko klar. Dass er so entspannt mit deinem Single-Status umgeht, habe aber auch einige Zeit gedauert. Früher habe auch er krampfhaft an Beziehungen festgehalten und Negatives ausgeblendet, bloß um nicht alleine dazustehen.