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Showdown für das Mercosur-Abkommen

Es sind entscheidende Tage für das Mercosur-Abkommen. Seit über 25 Jahren verhandeln die EU und die Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay über ein Freihandelsabkommen. Am Samstag will EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach Brasilien reisen, um das Abkommen zu unterzeichnen. Ob es dazu kommt, steht jedoch auf der Kippe. Ein Überblick über Ziele, Kritik und Zeitplan.

Warum jetzt?

Die EU sucht neue Partner. Der Handelskonflikt mit den USA ist ein Grund, warum das umstrittene Mercosur-Abkommen noch mehr Gewicht erhält. Auch der Handel mit China gilt inzwischen als hochproblematisch, der mit Russland ohnehin. Daher rücken alternative Handelspartner und -abkommen stärker in den Fokus.

Das Abkommen wird seit 1999 verhandelt. Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva droht mit dem Ausstieg seines Landes, sollte das Freihandelsabkommen nicht noch in diesem Monat unterzeichnet werden. Auch aus EU-Kreisen hieß es, wenn es jetzt – nach 25 Jahren – keine Einigung gebe, werde es wahrscheinlich nie eine geben.

Was erhofft sich die EU vom Mercosur-Abkommen?

Das Abkommen soll mit über 700 Millionen Einwohnern die größte Freihandelszone der Welt schaffen. Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay erheben derzeit noch vergleichsweise hohe Zölle, die weiter steigen könnten. Das Abkommen sieht vor, Zölle auf rund 91 Prozent der zwischen der EU und dem Mercosur gehandelten Waren abzuschaffen. Das würde die Exportchancen der EU erhöhen und für günstigere Einkaufspreise sorgen.

Wie geht es jetzt weiter?

Eine Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten muss dem Abkommen zustimmen. Dafür braucht es eine qualifizierte Mehrheit von mindestens 15 Staaten, die 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren. Die EU-Staaten sind aber gespalten. Darum steht das Abkommen auf der Kippe. Frankreich, der härteste Kritiker, könnte zur Not überstimmt werden. Schwierig wird es, wenn sich andere große Länder wie Italien und Polen an die Seite der Franzosen stellen. Auch Italien hatte sich zuletzt skeptisch geäußert.

Was sagen die Kritiker?

Frankreich, Polen und Italien erklären, ihre heimischen Bauern schützen zu wollen. Sie sehen die Landwirtschaft unzureichend vor billigeren Importen aus Südamerika geschützt. Ihr Zögern hat aber auch innenpolitische Gründe. Bauernverbände in mehreren EU-Staaten haben gegen das Abkommen protestiert.

Gibt es dafür mögliche Lösungen?

Wenige Tage vor der geplanten Unterzeichnung hat die EU Schutzklauseln auf den Weg gebracht, die europäische Landwirte vor unlauterer Konkurrenz aus Südamerika schützen sollen. Die Regelung ermöglicht es der EU, Zollvergünstigungen auszusetzen, falls Einfuhren aus den Mercosur-Partnerstaaten schwere Schäden verursachen oder zu verursachen drohen. Die Schutzmechanismen gelten als wichtiges Zugeständnis, um Bedenken europäischer Bauern auszuräumen und Kritiker des Abkommens für eine Zustimmung zu gewinnen.

Welche Kritik äußert die Zivilgesellschaft?

Viele zivilgesellschaftliche Organisationen lehnen das Abkommen ebenfalls ab. Greenpeace kritisiert etwa, viele der Waren, deren Austausch das Abkommen ankurbeln soll, würden Umweltzerstörung, Klimakrise, Artensterben, soziale Ausbeutung und Menschenrechtsverletzungen fördern. Gewinner seien vor allem die südamerikanische Agrarindustrie sowie europäische Auto- und Pharmakonzerne.

Was sagen die Befürworter?

Befürworter betonen, dass EU-Verbraucherstandards auch für Importe aus den Mercosur-Staaten gelten sollen. Zudem sei keine vollständige Marktöffnung geplant – für Rindfleisch, Geflügel oder Zucker etwa sollen Importquoten gelten. In Zeiten von Handelskonflikten mit den USA und China brauche die EU neue Partnerschaften. Mit einem solchen Abkommen könne die EU handelspolitisch gestalten. Sonst drohten die USA in diese Lücke zu stoßen.