Jugendfreizeitleiter aus Heikendorf unter Verdacht

Die Tat ist 50 Jahre her: Der Leiter einer Jungenfreizeit der evangelischen Kirchengemeinde Heikendorf bei Kiel verging sich offenbar 1972 an einem Zehnjährigen. Der Betroffene wandte sich nun an die Nordkirche.

Pröpstin Almut Witt und Pastor Joachim Thieme-Hachmann informierten über den Fall
Pröpstin Almut Witt und Pastor Joachim Thieme-Hachmann informierten über den FallNadine Heggen

Heikendorf. Es sollten drei unbeschwerte Wochen werden: Auf einer Kinderfreizeit der evangelischen Kirchengemeinde Heikendorf bei Kiel im Sommer 1972 ist offenbar ein Junge sexuell missbraucht worden. Der damals 10-Jährige hatte sich im vergangenen Jahr an die Präventionsstelle der Nordkirche gewandt. Jetzt suchen die Kirchengemeinde und der Kirchenkreis Altholstein nach Zeugen. An 8 von 14 Teilnehmer der reinen Jungenfreizeit seien Anfang der Woche Briefe mit der Bitte um Hinweise verschickt worden, wie Pröpstin Almut Witt sagt.

Unter Verdacht steht der Leiter der Jungenfreizeit, der damals Pädagogik studierte und zwei Jahre lang ehrenamtlich in der Kirchengemeinde tätig war. Insgesamt standen vier Ferienlager unter seiner Regie. Kurz nach der Sommerfreizeit 1972, die in ein Freizeitheim in der Nähe von Bremen führte, verließ er Heikendorf. Wo er sich momentan aufhalte und ob er noch lebe, wisse die Gemeinde nicht. Der Kirchenkreis und die Kirchengemeinde stellten gegen den Mann vor einem Monat Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft am Landgericht Kiel.

Interne Recherche

Vorangegangen war eine interne Recherche zu dem Fall. Nachdem sich der von sexueller Gewalt Betroffene bei der Nordkirche gemeldet hatte, konstituierte sich ein Beratungsstab aus Mitgliedern des Kirchenkreises und der Kirchengemeinde. „In unserem Archiv haben wir Unterlagen gefunden, die bestätigen, dass es diese Freizeit vor 50 Jahren mit einem ehrenamtlichen Betreuer tatsächlich gab“, sagt Pastor Joachim Thieme-Hachmann.

„Was er sagt, ist glaubwürdig“

Der Betroffene habe zudem viele Gespräche mit Mitarbeitern der Präventionsstelle der Nordkirche geführt. „Ich selbst habe auch mit ihm gesprochen, und was er sagt, ist glaubwürdig“, sagt die Pröpstin. Es sei unbedingt nötig, diesen Fall transparent zu machen. „Das Schweigen über sexuellen Missbrauch soll ein Ende haben“, so Witt.

Die Aufklärung des Falls gestaltet sich aber schwierig. Die damals Verantwortlichen im Kirchengemeinderat seien entweder verstorben oder unbekannt verzogen. „Von denen können wir niemanden mehr fragen“, so Thieme-Hachmann.

Nach 50 Jahren Mut gefasst

Immerhin existiert noch eine Teilnehmerliste über die 14 Jungen, die bei der Freizeit dabei waren. Acht aktuelle Adressen konnten ausfindig gemacht werden. Einige der Männer, die damals zwischen 10 und 14 Jahre alt waren, leben noch in Heikendorf. Sie werden in dem Brief des Kirchenkreises Altholstein um Hinweise zu dem Vorfall oder auf mögliche Zeugen gebeten.

Über den Betroffenen wollten die Pröpstin und der Pastor aus Datenschutzgründen nur wenig sagen. Der Vorfall habe sein Leben auf jeden Fall nachhaltig beeinträchtigt, so Witt. Die aktuelle Berichterstattung über Missbrauchsfälle in der Kirche habe ihn ermutigt, nach 50 Jahren auch seinen Fall öffentlich zu machen.

Unter dem Pseudonym „Felix“

„Er möchte von uns Ernst genommen werden. Und er möchte, dass wir unser Möglichstes tun, um den Fall aufzuklären“, sagte die Pröpstin. Von der Nordkirche erhalte er sowohl psychologische als auch finanzielle Hilfe.

Der Betroffene hatte sich in den ersten Gesprächen mit der Präventionsstelle unter dem Pseudonym „Felix“ gemeldet. Der lateinische Name bedeutet übersetzt „der Glückliche“. „Vielleicht möchte er damit eine Sehnsucht ausdrücken“, sagte Witt. (epd)