Sehnsuchtslieder in der Hafenbar

Es sind zwei musikalische Welten, die zusammenkommen: Flüchtlinge und Deutsche arbeiten an einem gemeinsamen Auftritt. Mit den Texten kann jeder etwas anfangen – auch wenn er die Sprache nicht versteht.

Gemeinsam proben Flüchtlinge und Deutsche für die Aufführung
Gemeinsam proben Flüchtlinge und Deutsche für die AufführungDieter Sell / epd

Bremen. Mal wird Arabisch gesprochen, mal Farsi, dann auch Kurdisch, Englisch und Deutsch. Mit dem Kauderwelsch auf der Probenbühne der Bremer Hafenbar "Golden City" unter dem Dach einer Grundschule könnte es sprachlich nicht bunter zugehen. Und musikalisch auch nicht: Flüchtlinge und Deutsche feilen am Repertoire einer Premiere, die in der kommenden Woche geplant ist. "Sehnsuchtslieder von der Gegenküste" heißt das Programm, das dann dem Publikum am Hafenkopf im "Golden City" in der Bremer Überseestadt präsentiert werden soll.
"Der Aufbruch in die Fremde, Abschied, Sehnsucht und die Suche nach Heimat sind die Themen von Golden City", sagt Kulturpädagogin Frauke Wilhelm, die seit einigen Jahren jeweils im Sommer eine Hafenbar im Bremer Europahafen aufbaut. Dazu die passenden Melodien der deutschen Hafenschlager und Chansons der 1950er und 1960er Jahre – fertig ist das Musikprogramm, das schon Tausende in ihre Kaschemme gelockt hat. Doch bei der Premiere in diesem Jahr am Donnerstag, 21. Juli, führen die Lieder über die deutsche Küste hinaus.

Musikalische Welte harmonieren

Das hat etwas mit den Übergangswohnheimen der Inneren Mission zu tun, die in der Nachbarschaft zur "Golden City" stehen und in denen Flüchtlinge unter anderem aus Syrien, dem Irak, Iran und Afghanistan leben. Unter ihnen sind Musiker, die nun mit dem "Golden-City"-Team an drei Abenden in der Woche Lieder aus ihrer Heimat proben, in denen sich gemeinsame Gefühle entdecken lassen: Denn an den Küsten der Welt ist überall die Sehnsucht bekannt. Die Sehnsucht nach der Heimat, nach dem Liebsten oder der Familie, die man verlassen musste.
Das verbindet. Man duzt sich, die Atmosphäre ist freundschaftlich. Und doch ist die Sache nicht ganz einfach, wie zwischenzeitlich hitzige Diskussionen auf der Bühne zeigen. Während in der westlichen Kultur Akkorde die Musik bestimmen, sind es im arabischen Raum Melodien. "Die Kommunikation kostet Kraft, sprachlich und musikalisch", sagt Martin Kruzig, der mit seiner Djembé gekommen ist, einer westafrikanischen Bechertrommel. "Aber es lohnt sich. Ich lerne viel."
Auch Mohamad Almansour, der Mann mit der Oud, der arabischen Laute, verzieht noch das Gesicht, schüttelt den Kopf und hadert mit dem dem, was er da hört. Noch wollen die Töne aus Abend- und Morgenland nicht so recht zusammen passen. Doch wenig später harmonieren die musikalischen Welten schon besser. Zur Zigarettenpause hört sich das Stück passabel an. Wie Amir Houshmandifar aus Teheran geht es ohnehin den meisten auf der Bühne nicht um die perfekte Inszenierung. "Wir kommen hier mit unseren Herzen, wir lieben die Musik."

Flüchtlinge genießen die Proben

Auf ihrer Flucht hätten viele aus dem Ensemble "eine Menge Mist erlebt", hat Martin Kruzig mitbekommen. Doch bei den Proben sei alles für ein paar Stunden vergessen. "Ich genieße die Zeit", bestätigt Atef Ganjbar aus Afghanistan. Und dann erzählen er und die anderen in der Runde von ihrer Heimat, von dem Land, das sie verlassen mussten, von Einsamkeit und Schmerz.
Ein paar Minuten singen sie in der poetischen Sprache ihrer Heimat und legen ihre Gefühle in den Liedtext: "Ich würde auf den Blättern der Bäume schreiben, dass meine Liebe mich verlassen hat." Begleitet von Oud, Djembé und einer mit zwei Metallsaiten bespannten und einem Plektrum gespielten Buzuq entsteht ein Klang, der den Raum mit Orient füllt. Gitarre, Keyboard, Melodica, Flöte und Cajón, eine peruanische Kistentrommel, nähern sich dem an.
"Alle sind wild dabei", freut sich Initiatorin Frauke Wilhelm. Die Premiere am Donnerstag, 21. Juli, um 20Uhr soll auch Spielszenen und deutsche Gassenhauer wie "Weiße Rosen aus Athen" einschließen. Bei der Arbeit daran sei die Sprache mit Unterstützung von zwei Dolmetschern nur ein Teil der Verständigung. "Manchmal reicht ein Blick, ein Moment, um zu begreifen, wie wir gemeinsam vorankommen." (epd)