Seelsorger: Hamas-Angriff verursachte bei Juden Verunsicherung
Seit 35 Jahren ist Manfred Deselaers als Seelsorger nahe dem ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz tätig. Warum der 7. Oktober 2023 für viele Juden ein Einschnitt war und die Erinnerung an den Holocaust wichtig ist.
Der Angriff der Hamas auf Israel vor rund einem Jahr hat bei Juden ein “existenzielles Verunsicherungsgefühl” hinterlassen. Diese Einschätzung vertritt der deutsche Priester Manfred Deselaers, der seit 35 Jahren als katholischer Seelsorger am Rande des ehemaligen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau wirkt. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Nürnberg sagte er: “Wenn heute Juden in Auschwitz vor den Krematorien stehen, denken sie: Es hat wieder angefangen.”
Das Entstehen des Staates Israel sei für Juden die “wichtigste Antwort” auf den Schock des Holocaust gewesen, erläuterte der Priester. Jeder Jude habe das Recht, Bürger von Israel zu werden. “Es ist Teil des Problems, dass die Palästinenser dieses Recht nicht haben”, so Deselaers. “Aber diese Rückkehr war für die Juden wie eine Lebensversicherung. Am 7. Oktober 2023 ist mit dem Terrorangriff der Hamas etwas kaputtgegangen.”
Weiter kritisierte Deselaers, dass nicht genug getan werde, um eine Wiederholung der Geschichte der NS-Zeit zu verhindern: “Wir brauchen eine Vision, wie unsere Welt funktionieren soll.” Natürlich brächten aktuelle Themen wie die Diskussion um Migration Probleme mit sich; mit diesen müsse man aber umzugehen lernen: “Die Frage ist, wie sieht unsere Beziehung zu jenen Frauen und Männern aus, die in unser Land kommen wollen. Bleiben sie meine Brüder und Schwestern oder sind das Menschen, die einfach nur wegsollen?” Die Achtung vor dem anderen dürfe nicht verloren gehen. Die Erschütterung darüber, dass der Holocaust möglich war, müsse bestehen bleiben.
In Bezug auf den Krieg in der Ukraine sagte Deselaers, dass das Geschehen in Deutschland nicht präsent genug sei. “Echte Verantwortung funktioniert nur, indem man Kontakt zu den Menschen sucht.” – Manfred Deselaers ist Priester des Bistums Aachen sowie Auslandsseelsorger der Deutschen Bischofskonferenz. Er setzt sich am katholischen Zentrum für Dialog und Gebet am Rande der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau für die Versöhnungsarbeit ein. Als Seelsorger begleitet er Menschen, die nach dem Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers ihre Eindrücke verarbeiten müssen.