Erstmals will sich das Schwule Museum Berlin in einer Ausstellung mit “Sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Namen der Emanzipation” beschäftigen. In der Ausstellung sollen Betroffene zu Wort kommen und von ihren Missbrauchserfahrungen berichten, wie das Museum am Donnerstag mitteilte. Kritisch will sich die Schau mit der Rolle der “Knabenliebe” in der deutschen Homosexuellenbewegung auseinandersetzen. Die Ausstellung kann ab Freitag besichtigt werden. Das Projekt entstand in Zusammenarbeit mit dem Archiv der Deutschen Jugendbewegung im hessischen Witzenhausen.
Hintergrund für die Ausstellung ist eine Untersuchung der Wissenschaftler Iris Hax und Sven Reiß zu Wirken und Programmatik pädosexueller Netzwerke in Berlin. Sie zeichnet den Zeitraum von den 1970er- bis in die 2000er-Jahre nach und zeigt, wie Täter die Notlagen von Kindern und Jugendlichen durch vernachlässigende Familien oder Obdachlosigkeit gezielt genutzt haben, um diese sexuell auszunutzen. Die Untersuchung wurde von der bundesweiten unabhängigen Aufarbeitungskommission in Auftrag gegeben und vor zwei Jahren auf einem Symposium präsentiert.
Nach Angaben der Kuratorin der Ausstellung, Birgit Bosold, sind in der Gründungssatzung des “Schwulen Museums” selbst noch bis 2010 “Knabenliebhaber” als “zu würdigende Gruppe” aufgeführt gewesen. Es sei verstörend, dass in Kontexten, die für Selbstbestimmung einstehen, sexualisierte Gewalt passiert sei. Lange habe es eine enge Zusammenarbeit zwischen der Schwulen- und Lesbenbewegung und Pädophilen gegeben. Noch 1986 nannte demnach ein Plakat zum “Christopher Street Day” in München Lesben, Schwule und Pädophile gleichrangig als sich emanzipierende Minderheiten. Erst in den 1990er Jahren sei man auf Distanz gegangen. Bislang sei das nicht wirklich aufgearbeitet worden, so Bosold.
Das Schwule Museum entstand Mitte der 1980-er Jahre in Berlin und beschäftigt sich in Ausstellungen, Veranstaltungen und Archivarbeit mit lesbischen, schwulen, transsexuellen, bisexuellen und queeren Lebensgeschichten, Themen und Konzepten in Geschichte, Kunst und Kultur. Die Ausstellung “Sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Namen der Emanzipation” ist bis zum 26. Februar 2024 zu sehen.