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Schwarze Komödie über vier junge Frauen in einer Berliner WG

Vier junge Mädchen in einer betreuten Wohngemeinschaft in Berlin-Prenzlauer Berg: Eine Komödie macht aus dieser Konstellation eine zeitlose Betrachtung von Lebenshunger und Überforderung.

Was wurde aus all den Säuglingen, die vor 15 bis 20 Jahren in teuren Marken-Kinderwägen durch den Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg geschoben wurden? Von Müttern, deren Grundnahrungsmittel angeblich Latte Macchiato war, während Papa mit dem Lastenrad als “Bionade-Biedermeier”-Idyll belächelten Bezirk komplettierte? Die “Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung” widmete damals der Eröffnung eines Kinderspielplatzes im “Prenzlberg” fast eine ganze Seite. Hier schien Großes zu passieren – oder vielleicht doch einfach: nichts Besonderes.

Fast 20 Jahre später berichtet in derselben Zeitung eine dort aufgewachsene junge Frau von ihrer Ausbildung bei der Bundeswehr und dem “guten Gefühl”, ein Gewehr in der Hand zu halten. Eine andere junge Berlinerin, die Regisseurin Stella Marie Markert, legt jetzt mit “Danke für nichts” ein prachtvoll beschädigtes Porträt ihrer Generation vor. Das aber zugleich so zeitlos und facettenreich von Lebenshunger und Überforderung erzählt, dass es auch Menschen jenseits der 25 Spaß macht. Denn in Zeiten steigender psychischer Erkrankungen ist Nichtklarkommen längst kein Privileg der Jugend mehr. Das ZDF zeigt die schwarze Komödie am 15. Dezember ab 00.25 Uhr.

So beiläufig runtergerockt wie hier hat Prenzlauer Berg im Kino schon lange nicht mehr ausgesehen. Zwischen Plattenläden, psychologischer Praxis und Graffiti-verschnörkelten Hauseingängen leben fragile Gestalten, deren Eigenschaften die Regisseurin aus ihrem eigenen Umfeld kennt. Da ist Scheidungskind Katharina (Lea Drinda), deren blonde Niedlichkeit mit ihrem Hang zum Todeskult kontrastiert. Die adlige, bipolare Vicky (Sonja Weißer) hingegen verwandelt sich in ihrem roten Gemach mit Monstera-Pflanzen jedes Mal in ein Gustav-Klimt-Gemälde, sobald sie und ihr langes Haar in die Kissen sinken.

Ricky (Safinaz Sattar) wiederum, mit ihrem unbewegten Gesichtsausdruck und einem demonstrativ nicht eingerichteten Zimmer, liebt Frauen und gibt mackerhaft den Ton an. Und die stumme Malou (Zoe Stein), die nur scheinbar im Hintergrund bleibt, trägt als Nerd ausschließlich gestreifte Oberteile. Ihre drei Freundinnen haben längst gelernt, Malous Gedanken zu lesen; ihre halben Dialoge sind ein gelungener Regieeinfall und durchlaufen während des Films eine eigene dramatische Entwicklung.

Alle vier leben in einer betreuten Wohngruppe in einem schon lange nicht mehr sanierten Altbau. Überquellende Aschenbecher, ein vom Amt genehmigtes, nicht schnurloses Festnetztelefon aus den 1990er-Jahren, ein alter Gasherd und zusammengeklaubtes Mobiliar verströmen den Charme längst verblasster Hausbesetzer-Nostalgie. Von Sozialrealismus will die Inszenierung nichts wissen.

Jan Bülow als – völlig unrealistischer – Sozialarbeiter Ballack wirkt ebenfalls wie eine reine Kinofigur: ein Elvis-Verschnitt in zu eng sitzenden weißen Anzügen, mit getönter Brille und weißem Cabriolet. Eine buchstäbliche Projektionsfläche, für “die Erwachsenen” wie für die Mädchen. Immer wenn das Amt in Gestalt einer mitleidlosen Kathrin Angerer und einer argwöhnischen Sophie Rois wieder Nachweise verlangt, versucht er dem weiblichen Quartett den Rücken freizuhalten.

Die “Erwachsenen” kommen reichlich klischeehaft und durchweg negativ weg, auch die Eltern in kurzen, aus dem Off erzählten Anekdoten aus der Kindheit der Freundinnen. Jedes der vier Kapitel ist einer von ihnen gewidmet. Kurz und pointiert geschnitten, geben die vorangestellten Rückblenden einen Einblick und zugleich eine Art schulterzuckende Erklärung für den desolaten Zustand der vier.

Doch Markert schafft es, vom Düstersten komisch zu erzählen – und zugleich so ernsthaft, dass Gründe plausibel werden, weiterzuleben. Das nämlich ist das eigentliche Thema: Argumente fürs Weitermachen zu finden, das sich nicht von selbst versteht.

Die lakonischen Kurzbiografien kontrastieren mit den in langsamer Unruhe erzählten Kammerspiel-Szenen, die von Edgar Fischnaller und Jonas Kolahdoozan fotografiert wurden. Dieselbe Sorgfalt, mit der das Drehbuch die Charaktere sprachlich formt, findet sich auch im Szenenbild von Fritzi Heubaum und den Kostümen von Sophie Peters. Und Markerts Schwester Rosa Lee Luna hat mit ihrem zarten Indie-Pop einen klanglich stimmigen Soundtrack geschaffen. So entsteht eine Mischung aus Melancholie, schwarzem Humor und unbändiger Kraft. Daran können auch ältere oder künftige Generationen anknüpfen – sofern sie nicht vergessen, dass sich niemand die Zeit aussuchen kann, in die man hineingeboren wird.