Vergangene Woche zeigte eine Studie, dass Schüler in Deutschland in Mathe und Naturwissenschaften schlechter werden. Der Augsburger Schulpädadoge Klaus Zierer mahnt ein radikales Umsteuern in der Bildungspolitik an.
Der Pädadoge Klaus Zierer sieht Deutschland im “nationalen Bildungsnotstand”. Das teilte Zierer am Montag in Augsburg mit; an der dortigen Universität hat Zierer eine Professur für Schulpädagogik inne. “Unser Land ist am Tiefpunkt, was Wissen und Können, Interesse und Motivation beim Lernen betrifft”, erklärte der Wissenschaftler. “Radikales und sofortiges Umsteuern ist notwendig.”
Zierer äußerte sich zur vergangene Woche vorgestellten Studie des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) im Auftrag der Kultusministerkonferenz. Diese hatte ergeben, dass immer mehr Schüler in Deutschland Mindeststandards in Mathematik, Biologie, Chemie und Physik verfehlen. Von allen untersuchten Neuntklässlern schafften demnach knapp neun Prozent die Anforderungen für den Hauptschulabschluss nicht, rund 34 Prozent unterschritten das Niveau für den Mittleren Schulabschluss.
Die bisherigen Versuche, über Ressourcen und Strukturen die “Bildungskatastrophe” zu überwinden, seien “völlig gescheitert”, so Zierer weiter. Der “Digitalisierungswahn” habe nicht zu besseren Lernleistungen geführt. “Bildung muss nun Chefsache werden, um die sich im Kanzleramt ein Sonderbeauftragter kümmert, der den Bildungsdiskurs von parteipolitischen Ideologien befreit, die Bildungsminister der Länder an die Hand nimmt und einen pädagogischen Kompass mitbringt.” Nur so lasse sich die Zukunft der Kinder, aber auch von Demokratie, Gesellschaft und Wirtschaft sichern.
Angesichts “dieser völligen Bildungskatastrophe” ist Zierer zufolge ein Notfallplan erforderlich. Der Schulpädagoge führte fünf Punkte an. Erstens müssten sich Schüler wie Eltern “des großen Geschenks einer kostenfreien Schulbildung als Startrampe für ein selbstbestimmtes und verantwortungsvolles Leben wieder viel mehr bewusst werden”. Schwänzen und vorzeitiger Ferienantritt seien daher konsequent zu ahnden. Zweitens sollten Leistungsanforderungen wieder erhöht und die Schularten wieder stärker profiliert werden. Drittens müsse die Lehrer(fort)bildung das Thema Unterrichtsqualität ins Zentrum rücken.
Viertens sollten Lehrer und Eltern stärker an einem Strang ziehen. “Dazu braucht es personale Begegnung”, so Zierer. Digitale Veranstaltungen wie Elternabende via Videokonferenzen seien daher abzuschaffen. Fünftens müsse sich politisch einiges ändern. Bildungspolitiker sollten die Expertise von Fachleuten einbeziehen, “auch wenn dies Parteiprogrammen oder persönliche Karrieremotiven entgegensteht”.