Schulbarometer: Viele Lehrer erschöpft – Konsequenzen gefordert

Laut Umfrage hat jede zweite Schule ein Gewaltproblem. Personalmangel und schwierige Klassen machen Lehrer krank. Die Forderung: “Selektion” beenden und Realität der “superdiversen Gesellschaft” anerkennen.

Schule als krankes System – diese scharfe Kritik übt die am Mittwoch in Stuttgart vorgestellte Lehrerbefragung der Robert-Bosch-Stiftung. “Wir sehen in den Ergebnissen die Momentaufnahme eines kranken Systems”, sagte Schulbarometer-Mitautorin Dagmar Wolf. Lehrer litten unter großem Personalmangel und müssten immer neue Belastungen schultern. Auch gebe es zu wenig fachliche Unterstützung und kaum Fortbildungen.

Laut Umfrage sagte fast jede zweite Lehrkraft, die eigene Schule habe ein Problem mit psychischer oder physischer Gewalt unter Schülern. Besonders betroffen seien Schulen in sozial benachteiligter Lage.

Darunter litten wiederum auch die Lehrerinnen und Lehrer: 36 Prozent gaben an, mehrmals pro Woche “emotional erschöpft” zu sein. 27 Prozent würden gerne kündigen. Gleichzeitig sagten 75 Prozent, mit ihrem Beruf zufrieden zu sein.

Als größte Problemfelder benennt die Umfrage das schwierige Verhalten von Schülern sowie den Umgang mit Klassen, in denen Kinder und Jugendliche mit höchst unterschiedlichen kulturellen, sprachlichen und sozialen Hintergründen sind. Dringenden Handlungsbedarf sehen die Lehrer und Lehrerinnen, um den Personalmangel zu überwinden, marode Schulgebäude zu sanieren und die digitale Ausstattung zu verbessern.

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) nannte die Ergebnisse alarmierend. Der Bericht mache deutlich, wie groß der Handlungsdruck in der Bildung sei, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: “Dass fast jede zweite Lehrkraft Gewalt beobachtet, muss alle Beteiligten alarmieren.” Sicherheit sei eine Grundvoraussetzung, um überhaupt lernen und unterrichten zu können. “Wir müssen Lehrerinnen und Lehrer besser unterstützen und ihnen als Gesellschaft mehr Wertschätzung entgegenbringen.”

Der Deutsche Lehrerverband forderte mehr Personal und mehr Geld zur Gewaltprävention an Schulen. Wenn Lehrkräfte einen großen Teil der Unterrichtszeit benötigten, um sich mit problematischem Verhalten der Schülerinnen und Schülern auseinanderzusetzen, bleibe weniger Zeit für guten Unterricht, sagte Verbandspräsident Stefan Düll den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Die Bosch-Stiftung kritisierte, das deutsche Schulsystem sei wie in kaum einem anderen Land viel zu stark auf “Selektion, Homogenität und Wettbewerb ausgelegt”. Statt “Selektion” müsse das Schulwesen auf das Faktum der “superdiversen Gesellschaft” reagieren und neue, inklusive Schulkonzepte entwickeln. “Die besten Schulen, national wie international, haben Heterogenität und Inklusion längst als Chance begriffen”, heißt es in dem Bericht. Nötig sei vor allem mehr individuelle Förderung der Schüler.

Mehr Anstrengung fordert die Stiftung auch in den Grundschulen, “damit wir an diesem frühen und entscheidenden Punkt der Bildungslaufbahn kein Kind verlieren”. Es brauche mehr Grundschullehrerinnen und -lehrer, damit jedes Kind am Ende der Grundschule die Grundfähigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen erlernt habe.

Für das Schulbarometer ließ die Bosch-Stiftung Ende 2023 bundesweit 1.608 Lehrer und Lehrerinnen befragen. Die Stiftung sprach von einer repräsentativen Studie.