Schüsse auf Gambier: Staatsanwalt warnt vor voreiligen Folgerungen

Die tödlichen Polizei-Schüsse auf einen Gambier in Niedersachsen sorgen weiter für Diskussionen. Staatsanwaltschaft und Polizeigewerkschaft warnen vor Vorverurteilungen warnen.

Am Karsamstag sind in Nienburg (Niedersachsen) tödliche Schüsse auf einen Gambier gefallen (Symbolbild)
Am Karsamstag sind in Nienburg (Niedersachsen) tödliche Schüsse auf einen Gambier gefallen (Symbolbild)Imago / Jürgen Held

Im Fall der tödlichen Schüsse von Polizisten auf den Gambier Lamin Touray am Karsamstag in Nienburg hat die mit den Ermittlungen betraute Staatsanwaltschaft Verden vor voreiligen Schlussfolgerungen gewarnt. In einem Bericht der „tageszeitung“ (taz) und einer Stellungnahme des niedersächsischen Flüchtlingsrates würden „vielfach gewisse Umstände als feststehende Tatsachen behauptet“, sagte Oberstaatsanwalt Koray Freudenberg dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen sei die Polizei aufgrund des eingegangenen Notrufes „von einer Bedrohungssituation mittels eines Messers“ ausgegangen, sagte Freudenberg. Ob der getötete Westafrikaner tatsächlich seine Ex-Freundin mit einem Messer angegriffen habe, sei ebenso wie die weiteren Einzelheiten des Einsatzes Gegenstand der laufenden Ermittlungen: „Dieses gilt insbesondere auch für die Frage, welche Beamten wie oft geschossen haben.“ Der Flüchtlingsrat Niedersachsen hatte zuvor eine umfassende und lückenlose Aufklärung des Einsatzes gefordert.

Nienburg: Acht Kugeln im Körper des Opfers

Laut Obduktionsergebnis drangen insgesamt acht Kugeln in den Körper des 46-jährigen Touray ein. Dabei habe jeweils ein Projektil die Leber und das Herz getroffen, letzterer Treffer habe den Tod verursacht, sagte Freudenberg. „Da bisher nicht feststeht, wer wann und wie oft geschossen hat, wird ein Ermittlungsverfahren gegen 14 Beamte geführt, die als Schützen in Betracht kommen.“ Touray soll vor den Schüssen Beamte mit dem Messer bedroht und einen Polizeihund angegriffen haben.

Die bei dem Einsatz anwesenden Personen würden als Zeugen oder Beschuldigte vernommen, erläuterte Freudenberg. Zudem würden noch waffentechnische Untersuchungen vorgenommen und Aufnahmen von Bodycams ausgewertet. Die Staatsanwaltschaft führe die Ermittlungen „gründlich und mit äußerster Sorgfalt“, sie nähmen deshalb auch noch eine gewisse Zeit in Anspruch.

Die Gewerkschaft der Polizei rief mit Blick auf den Einsatz zur Besonnenheit auf. Statt Vorverurteilungen auszusprechen oder nicht belegbare Äußerungen zu machen, gelte es zunächst die Ermittlungen abzuwarten, sagte der stellvertretende Landeschef Sebastian Timke.

Was die Jugend der Grünen kritisiert

Der Grünen-Landtagsabgeordnete Michael Lühmann sagte, es sei zunächst dringend geboten, die Umstände und den gesamten Ablauf des Einsatzes zügig und umfassend aufzuklären. Erst dann könne ein mögliches Fehlverhalten der Polizeikräfte geahndet werden.

Dagegen übte der Sprecher der Grünen Jugend Niedersachsen, David Christner, scharfe Kritik am Vorgehen der Beamten. „Man muss sich fragen, ob ein Einsatz mit 14 Polizisten und einem Hund in der Form richtig und notwendig war, wenn bereits zuvor bekannt war, dass der Mann sich in einem Ausnahmezustand befand“, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung. Zugleich warf er Landesinnenministerin Daniela Behrens (SPD) vor, zu wenig für die Sicherheit von Migranten in Niedersachsen zu tun. „Wir brauchen endlich eine unabhängige Ermittlungsstelle, die solche Fälle aufklärt“, forderte er.