Schriftsteller Hein: „Unversöhnlichkeit ist das Wort unserer Zeit“

Der Schriftsteller Christoph Hein befürchtet, dass sich der aktuelle Riss in der Gesellschaft für Jahrzehnte nicht schließen lassen wird. „Derzeit sehe ich keine Versöhnung in Deutschland. Ich sehe, dass das Trennende sich zementiert“, sagte der Autor, der am Montag 80 Jahre alt wird, dem „Tagesspiegel“ (Samstag).

Das habe mit dem Streit über die Migration begonnen und werde mit jedem neuen Thema tiefer. „In Familien und Beziehungen, in Städten und Dörfern, in der Politik geht es immer unversöhnlicher zu“, sagte der in Havelberg (Sachsen-Anhalt) lebende Hein: „Unversöhnlichkeit ist das Wort unserer Zeit.“

Die hohen Zustimmungswerte für die AfD in Ostdeutschland erklärt Hein mit einem Gefühl des Abgehängt-Seins im Osten, der zudem weiterhin vom Westen dominiert werde. Fast zwei Drittel der ostdeutschen Bevölkerung seien nach 1990 dauerhaft oder zeitweise arbeitslos geworden. „Das waren schwerste Eingriffe in einem Landesteil, in dem Arbeitslosigkeit zuvor quasi verboten war“, sagte der Autor von Romanen wie „Der fremde Freund“ („Drachenblut“), „Tangospieler“ oder „Landnahme“.

Zum Thema Zusammenwachsen von Ost und West sagte Hein, in den älteren Generationen Ostdeutschlands stecke sicherlich noch viel DDR. Ihn erstaune aber, dass es selbst in jüngsten Generationen einen Ost-West-Trend gebe. Er selbst habe in Berlin auch getrennte Freundeskreise.

Er sei damals als Pessimist beschimpft worden, als er kurz nach dem Mauerfall voraussagte, es werde 40 Jahre dauern, bis Ost und West vollständig vereint seien: „Jetzt wird hinterfragt, ob ich nicht zu optimistisch war.“