Scholz empfängt Argentiniens ultraliberalen Präsidenten Milei

Beim Empfang von Argentiniens ultraliberalem Präsidenten Javier Milei im Bundeskanzleramt hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die geplanten Reformen in Argentinien und deren Auswirkungen auf die Bevölkerung thematisiert. Dabei habe der Bundeskanzler unterstrichen, dass aus seiner Sicht Sozialverträglichkeit und der Schutz des gesellschaftlichen Zusammenhalts wichtige Maßstäbe sein sollten, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit nach dem Treffen am Sonntag in Berlin mit.

Dabei sei es um „die ganze Breite der bilateralen Beziehungen, darunter bilaterale Fragen, Wirtschaft, Handel, erneuerbare Energien und den globalen Klimaschutz“ gegangen. Scholz und Milei hätten zudem über das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Mercosur-Staaten gesprochen. „Sie waren sich einig, dass die Verhandlungen über das Abkommen zügig abgeschlossen werden sollen“, sagte der Regierungssprecher. Auch der mögliche argentinische OECD-Beitritt sei Thema gewesen. Die Bundesregierung unterstütze dieses Anliegen.

Argentinien verfügt über viele Rohstoffe wie Lithium, das in Deutschland dringend gebraucht wird. Mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen hatten Scholz zuvor in einem offenen Brief aufgefordert, das Treffen mit Milei abzusagen und dem Rechtspopulisten kein Podium zu bieten.

Vor dem Kanzleramt hatten sich am Sonntag rund drei Dutzend Demonstranten versammelt. Das Besuchsprogramm wurde kurzfristig erheblich gekürzt. Anders als ursprünglich geplant, fand weder eine gemeinsame Pressekonferenz statt, noch wurde Milei mit militärischen Ehren empfangen. Regierungssprecher Hebestreit sprach von einem „kurzen, konzentrierten Arbeitsbesuch“.

Beim Auftakt seines Deutschlandbesuches am Samstag in Hamburg wurde Milei von Hunderten Demonstranten mit lautstarkem Protest begrüßt. Zivilgesellschaftliche Organisationen und die Linkspartei hatten zu den Kundgebungen aufgerufen. Die wirtschaftsliberale Hayek-Gesellschaft ehrte Milei mit einer Auszeichnung, die nach dem österreichischen Vordenker des Neoliberalismus, Friedrich August von Hayek, benannt ist.

Milei befindet sich auf einer Europareise. Zuerst machte das argentinische Staatsoberhaupt in Spanien Station, wo er allerdings kein Regierungsmitglied traf. Bei seinem ersten Besuch Mitte Mai hatte Milei dort für einen diplomatischen Eklat gesorgt, als er die Ehefrau von Ministerpräsident Pedro Sánchez als korrupt bezeichnete. Daraufhin zog Spanien die Botschafterin in Buenos Aires ab.

Am Sonntag wird Milei in Prag erwartet. Milei unternahm in den ersten sechs Monaten als Präsident zahlreiche Auslandsreisen, wurde aber von wenigen Staats- und Regierungschefs empfangen, in Europa nur von Scholz und der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni.

Milei, der sich selbst als Anarchokapitalisten bezeichnet, verordnete seinem Land einen radikalen Sparkurs. Das vor rund zehn Tagen verabschiedete Reformpaket sieht unter anderem Privatisierungen, Massenentlassungen im öffentlichen Dienst und Einsparungen im Bildungs-, Sozial- sowie Gesundheitssektor vor. Die Beratungen im Parlament wurden von zahlreichen Massenprotesten begleitet.

Argentinien steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise. Die Inflation von fast 290 Prozent im vergangenen Jahr ist eine der höchsten weltweit. Gleichzeitig stieg die Armut auf inzwischen rund 56 Prozent an.