Eine herausragende Stimme für die Menschenrechte in China sowie ein Hüter der tibetischen Kultur werden für ihr Wirken geehrt. Dafür reist eigens Filmstar Richard Gere nach Berlin.
Der Menschenrechtspreis “Schneelöwe” ist in Berlin an die amerikanische Aktivistin Sophie Richardson und den Digitalpionier und buddhistischen Mönch Geshe Lobsang Monlam verliehen worden. Bei der Zeremonie am Samstag übergab Hollywood-Star Richard Gere, internationaler Vorsitzender der International Campaign for Tibet, die Auszeichnung seiner Organisation an die Preisträger.
“Diese beiden Preisträger sind Vorbilder für beide Kulturen – und ein Modell dafür, was möglich ist”, sagte Gere. Der Schneelöwe ehre Einzelpersonen und Organisationen, “die zivilen Mut zeigen, der heutzutage ziemlich selten ist”, sagte der Filmstar, der selbst praktizierender Buddhist ist und sich seit langem für die Rechte der Tibeter einsetzt, die von der chinesischen Regierung teils hart unterdrückt werden.
Richardson, langjährige China-Direktorin von Human Rights Watch und heutige Mitgeschäftsführerin von Chinese Human Rights Defenders, gilt als eine der profiliertesten Stimmen für Menschenrechte in Ostasien. Über zwei Jahrzehnte hat sie auf Menschenrechtsverletzungen in China und besonders in Tibet aufmerksam gemacht.
In ihrer Dankesrede verurteilte Richardson die Repression und unrechtmäßige Inhaftierungen in China und besonders in Tibet. Bundesregierung und EU rief sie auf, darauf hinzuarbeiten, dass chinesische Regierungsbeamte “nach dem Prinzip der universellen Gerichtsbarkeit” für Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen werden können.
Der zweite Preisträger, der IT-Pionier Monlam, kritisierte die kulturelle und religiöse Unterdrückung durch die chinesische Fremdherrschaft in dem Hochland. “Es ist äußerst wichtig sicherzustellen, dass unsere Sprache, unsere Kultur und unsere Weisheitstradition weiterhin in Freiheit und Würde bestehen können.”
Der Gründer des Monlam IT Research Centre im indischen Dharamsala verbindet Glauben und Innovation. Mit Künstlicher Intelligenz will er das religiöse und philosophische Vermächtnis des Dalai Lama verewigen. Monlam hat sich auch mit der Entwicklung digitaler Werkzeuge zur Erhaltung der tibetischen Sprache einen Namen gemacht. Unter seiner Führung haben 135 Redakteure ein 223 Bände umfassendes tibetisches Wörterbuch erstellt, das auch digital erfasst wurde.
In einer Rede forderte der Staatssekretär im Bildungsministerium und Vorsitzende der Parlamentsgruppe Tibet, Michael Brand (CDU), mehr Einsatz für Menschenrechte. “Was die Kommunistische Partei Chinas gerade jetzt und seit Jahrzehnten dem chinesischen Volk antut, ist nichts anderes als antizivilisatorisch und barbarisch.” Das kommunistische Regime wolle Tibet “mit unfassbarer Brutalität, mit Waffen und seit längerem digitaler Totalüberwachung” vom Rest Chinas und der Welt abschotten, so Brand.
Der “Schneelöwe”-Preis würdigte seit 2017 zunächst herausragende journalistische Beiträge und wird seit 2022 als Menschenrechtspreis vergeben. Er zeichnet Menschen oder Organisationen aus, die Zivilcourage zeigen, beispielhaft für Menschenrechte und Demokratie oder den Schutz der Kultur eintreten – in Bezug auf Tibet, die von muslimischen Uiguren bewohnte chinesische Region Xinjiang, die Innere Mongolei sowie Hongkong und Taiwan.
75 Jahre nach dem Einmarsch der chinesischen Armee 1950 in Tibet ist die Lage in dem größten Hochland der Erde angespannt. Die kommunistische Führung verfolgt erklärtermaßen eine “Sinisierung” der sieben Millionen Tibeter, so dass ihre Kultur und Sprache in Gefahr sind. Klöster und Mönche werden streng kontrolliert, religiöse Aktivitäten eingeschränkt. Kinder werden in Internate gesteckt, wo nur Chinesisch als Unterrichtssprache benutzt wird.
Angesichts des hohen Alters des Dalai Lama von 90 Jahren fürchtet der exiltibetische Premier Penpa Tsering eine mögliche Radikalisierung und Unruhen nach dem Tod des religiösen Oberhaupts der Tibeter. Tenzin Gyatso, wie der 1959 nach einem niedergeschlagenen Aufstand ins indische Exil geflüchtete Religionsführer heißt, hatte angekündigt, nicht in China, sondern “in der freien Welt” wiedergeboren zu werden.
Während Vertraute des Dalai Lamas in Dharamsala nach dessen Tod mit Führern des tibetischen Buddhismus die Suche nach der Reinkarnation einleiten werden, wird auch die kommunistische Führung in Peking in Eigenregie einen Nachfolger suchen und einsetzen. So wird es am Ende zwei Dalai Lamas geben. Ähnlich ist es in den 90er Jahren nach dem Tod des Panchen Lamas, des zweithöchsten tibetischen Religionsführers, passiert.
Bei der Preisverleihung gab der chinesische Exilautor und Träger des Friedenspreises des deutschen Buchhandels, Liao Yiwu, eine künstlerische Vorstellung. Seine Bücher, darunter “Für ein Lied und hundert Lieder” oder “Fräulein Hallo und der Bauernkaiser: Chinas Gesellschaft von unten”, schildern das Schicksal der Unterdrückten in China. Der Schriftsteller hatte wegen seiner regimekritischen Texte in China in Haft gesessen, konnte 2011 flüchten und lebt seither in Berlin.