Schauspielerin Lara Mandoki über ihre Rolle als Hedwig Höß

Viele dürften sie als Ermittlerin Karina Szabo aus der ZDF-Krimireihe “Erzgebirgskrimi” oder als Tochter des ungarisch-deutschen Musikers Leslie Mandoki kennen. Dabei ist Lara Mandokis Repertoire deutlich vielfältiger.

Nach einer klassischen Schauspielausbildung und Theater-Engagements spielte Lara Mandoki in Produktionen wie der Sky-Serie “Das Boot” oder der BBC-Krimi-Serie “Vienna Blood” mit. Aktuell ist die 35-Jährige in der Doku-Drama-Serie “Die Spaltung der Welt” zu sehen, die anhand der Lebensgeschichten von sechs historischen Figuren vom Zweiten Weltkrieg und den Nachkriegsjahren erzählt. Mandoki spielt in einer intensiven Performance Hedwig Höß, die Frau des Auschwitzer Lagerkommandanten Rudolf Höß. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) spricht die Darstellerin über den Rechtsruck in Europa, ihre Konkurrenz zu Sandra Hüller und den Schönheitsdruck in der Filmbranche.

KNA: Frau Mandoki, in “Die Spaltung der Welt” spielen Sie Hedwig Höß, die Frau des Auschwitzer Lagerkommandanten Rudolf Höß, die jenseits der Mauer zum Vernichtungslager ihr Familienidyll pflegte. Wie nähert man sich einer so abgründigen Figur?

Lara Mandoki: Ich habe alles gelesen, was ich zu dieser Frau und diesem Paar gefunden habe. Zudem habe ich mich mit Mutterschaft und Pädagogik im Dritten Reich auseinandergesetzt, deren Ziel ja war, die Bindungsfähigkeit der Kinder zu verhindern, so dass eine Form von Empathielosigkeit entstehen kann. Aber ich darf als Schauspielerin nicht den moralischen Kommentar zu meiner Figur spielen. Meine Aufgabe ist es, komplett in die Rolle der Hedwig Höß zu schlüpfen und somit auch zu denken wie sie.

KNA: Muss man eine solche Figur mit menschlichen Zügen zeigen?

Mandoki: Um eine glaubwürdige Figur zu spielen, braucht es immer menschliche Züge. Darin liegt natürlich eine Herausforderung: Eine Figur zu bauen, die einerseits emotionale und verletzliche Momente hat, aber gleichzeitig ihre menschenverachtende Gedankenwelt nie verlässt. Hedwig Höß war Mutter von fünf Kindern. Es gab Ärzte und Familienväter, die täglich gefoltert und gemordet haben, danach nach Hause gegangen sind und mit ihren Kindern gespielt haben. Das Böse schaut nicht immer böse aus. Es ist schwer auszuhalten, aber ich finde es wichtig, sich dessen als Gesellschaft bewusst zu sein.

KNA: Hat man beim Spielen nicht die Sorge, dass man zuviel Empathie für diese Figur wecken könnte?

Mandoki: Schauspielarbeit ist ein Handwerk, und um einen glaubwürdigen Menschen zu erschaffen, ist es notwendig, in die Gedanken und Seelenwelt dieser Figur einzutauchen, mit Hilfe von Werkzeugen. Das heißt, dass meine private Haltung bei der Arbeit außen vor bleibt, sonst würde ich eben den Kommentar zu meiner Figur spielen. Mein Ziel bei meiner Arbeit ist es, eine höchstmögliche Glaubwürdigkeit und Ambivalenz in dieser Figur zu zeigen, um sie zu einem Menschen entstehen zu lassen, dem man in dem Moment glaubt.

KNA: Auch Sandra Hüller hat kürzlich Hedwig Höß gespielt, in dem Kinofilm “The Zone of Interest”; sie wurde dafür unter anderem für den Oscar nominiert. Wie blicken Sie auf diese Konkurrenz?

Mandoki: Ich bin stolz darauf, dass ich die gleiche Rolle spielen durfte wie Sandra Hüller, und ich finde es ganz allgemein sehr wichtig, dass Hedwig Höß Aufmerksamkeit bekommt. Ansonsten habe ich mir darüber nicht so viele Gedanken gemacht, weil “The Zone of Interest” auch einen anderen erzählerischen Auftrag hat. Sie arbeiten mit künstlerischer Verfremdung. Wir versuchen eher, die Zeit eins zu eins abzubilden, und betten Hedwig Höß in den Gesamtbogen des Zweiten Weltkriegs ein.

KNA: Nach dieser intensiven Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus: Was empfinden Sie angesichts des aktuellen Rechtsrucks in Europa?

Mandoki: Als deutsche Staatsbürgerin mit ungarischen Wurzeln und zwei Muttersprachen fühle ich mich sehr stark als Europäerin und mit dem Gedanken Europas verbunden. Die Idee eines gemeinsamen Europas ist aus den Schrecken des 20. Jahrhunderts geboren und steht für Versöhnung, schützt gleichzeitig auch vor neuen innereuropäischen Konflikten. Insofern halte ich es für sehr wichtig, den europäischen Geist zu schützen, und die neuen nationalistischen Entwicklungen machen mir Angst.

Es gibt sicherlich viele Gründe dafür, warum sich das so entwickeln konnte, auch Parallelen zu den 1920er Jahren. Umso mehr, denke ich, sollten wir uns unserer demokratischen Verantwortung bewusst sein und uns entschieden gegen menschenverachtende Politik stellen – damit ein “Nie wieder” auch ein “Nie wieder” bleibt.

KNA: Sie spielen seit sechs Jahren die Ermittlerin Karina Szabo im “Erzgebirgskrimi”. Wenn Sie im Erzgebirge drehen, wo die AfD ja große Erfolge feiert – begegnet Ihnen da Ausländerfeindlichkeit?

Mandoki: Ja, leider durchaus, und es ist jedes Mal sehr schwer zu ertragen. Neben dieser wirklich sehr schwer zu verstehenden Tatsache, dass die AfD für menschenverachtende, geschichtsvergessene Politik steht, verstehe ich auch nicht, warum ausgerechnet in einer Region, die auf Infrastrukturausbau und junge Menschen angewiesen ist, eine Partei gewählt wird, die absolut für das Gegenteil steht. Aber ich habe in Sachsen auch viele Menschen getroffen, die für die Demokratie und ein schönes Miteinander sehr engagiert kämpfen. Diese Menschen gilt es zu unterstützen, finde ich. Sie müssen mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit bekommen als Björn Höcke und diese miesen AfD-Typen.

KNA: Ihr Vater, der Musiker Leslie Mandoki, hat sich parteipolitisch positioniert, sich sogar einmal für die CSU aufstellen lassen. Wie handhaben Sie das?

Mandoki: Ich für meinen Teil bin nicht parteipolitisch engagiert, aber respektiere meinen Vater dafür, dass er das war. Grundsätzlich finde ich es wichtig und gut, sich politisch zu engagieren. Diese Verantwortung hat man in einer Demokratie, und das ist auch ein Privileg.

KNA: Sie sind Ihrem Vater in die Entertainment-Branche gefolgt. Gab es einmal Zweifel an diesem Weg? Oder die Sorge vor allzu vielen Vergleichen?

Mandoki: Dass ich Schauspielerin werden will, wusste ich schon im Kindergarten, denn das Geschichtenerzählen hat mich immer gereizt. Außerdem ist es ein Beruf, der viele meiner Leidenschaften verbindet und sehr schön sein kann. Somit waren Öffentlichkeit oder andere Aspekte, die unsere beiden Berufe gemeinsam haben, keine Motivation für meine Entscheidung. Aber ich konnte viel von meinem Vater lernen, und er ist ein sehr wichtiger Ratgeber für mich. Dass ich im Wettbewerb mit meinem Vater stehe, habe ich nie so empfunden, denn wir üben zwei unterschiedliche Berufe aus. Aber es hat sicher gedauert, bis man mich ernst genommen und nicht nur “die süße Tochter von” in mir gesehen hat.

KNA: Gelegentlich posten Sie auf Ihrem Instagram-Account feministische Statements. Wie gehen Sie mit dem allgegenwärtigen Schönheitsdruck in der Branche um?

Mandoki: Der ist eine Herausforderung. Was mich besonders wütend macht – neben dem extremen Gender-Pay-Gap, den wir auch in unserer Branche haben -, ist, dass Frauen, gerade Schauspielerinnen, nicht altern dürfen. Ab 40 finden wir viel weniger statt, dann nehmen die interessanten Rollen rapide ab. In all diesen Bereichen gibt es zwar Bewegung in den letzten Jahren – aber es ist und bleibt etwas, für das wir Frauen weiterkämpfen müssen.