Schau zum Werk der Malerin Almut Heise in Pinakothek der Moderne
Die Künstlerin Almut Heise hat sehr früh ihren eigenen Stil gefunden und bleibt ihm bis heute treu. Eine Auswahl ihrer zeichnerischen Arbeiten sind nun in der Münchner Pinakothek der Moderne zu sehen.
In Norddeutschland kennt man Almut Heise als eine mehrfach mit Preisen ausgezeichnete Malerin und Grafikerin. Dort lehrt die 1944 in Celle geborene Künstlerin als Professorin an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Im Süden dagegen ist sie nahezu unbekannt. Bilder von ihr sind in den öffentlichen Museen Münchens so gut wie nie zu sehen gewesen. So kommt es einer spannenden Entdeckung gleich, wenn die Pinakothek der Moderne nun bis 5. Januar 2025 eine Auswahl ihrer Gemälde und Grafiken zeigt. Anlass sind das Erscheinen ihres zweibändigen Werkkatalogs und ihr 80. Geburtstag in diesem Jahr.
Heises frühe Arbeiten beschäftigen sich vor allem mit der präzisen Darstellung von typischen Interieurs der Fünfzigerjahre: Schlafzimmer, Küchen, Bäder, unspektakuläre Wohnräume, Cocktailsessel, Gardinen, Topfpflanzen, Tapeten- und Teppichmuster. Diese eher unkritische Beschreibung des Wirtschaftswunders reicherte sie später mit Pop-Art-Elementen, Ironie und Sozialkritik an.
Ihr Stil ist dabei jenem von David Hockney nicht ganz unähnlich. Kein Wunder, war er doch 1970 ihr Lehrer bei einem einjährigen Studienaufenthalt in London. Die von ihr geschaffenen Räume wirken eher unheimlich als gemütlich und strahlen eine Kühle aus, in der man sich nicht unbedingt wohlfühlt. Diese realen Motive erscheinen wie aus der Zeit gefallen, bestechen aber gleichzeitig durch ihre eindringliche Präsenz.
Zu Beginn der künstlerischen Laufbahn von Heise war das deutsche Informel der maßgebliche Stil. Dagegen bezieht sie von Anfang an eine eindeutige, unerschrockene Position mit ihrer altmeisterlichen Feinmalerei. So schuf Heise unbeirrt über Jahrzehnte hinweg ein einzigartiges malerisches und grafisches Werk, das seinesgleichen sucht. “Eine lautlose Rebellion in Zeiten lärmender Stilrichtungen, in denen man gewillt sein muss, sie ganz ohne Lobby auszuhalten”, so beschreibt Kurator Michael Hering ihre konsequente Haltung in der Gegenwartskunst. Heise ist eben eine stille, leise Künstlerin, die die Öffentlichkeit eher meidet.
Weniger bekannt ist, dass parallel zu ihrer Malerei seit Mitte der 1960er-Jahre ein zeichnerisches Werk entsteht, das die herkömmliche Zeichenkunst erweitert. Die Unterscheidung von Linie und pastosem Farbauftrag interessiert die Künstlerin nicht, vielmehr scheint die Komposition mit dem Farbstift direkt aus der Fläche heraus modelliert zu sein. Waren die Zeichnungen anfangs noch vorbereitende Studien zu den Gemälden, so werden sie mehr und mehr zu autonomen Meisterwerken.
Das zeigt sich vor allem bei ihren Porträts, in denen sich der Ausdruck über die Jahre hinweg subtil verändert. Mit feiner Beobachtungsgabe hält sie die Spuren der Zeitläufte in den Gesichtern der Porträtierten fest, die außerhalb von Zeit und Raum zu existieren scheinen – eine ganz eigene Sicht auf den Menschen und sein Abbild. Trotzdem strahlen ihre Bilder und Zeichnungen eine gewisse Unruhe aus, die sich umso stärker auf die Betrachtenden überträgt, je länger sie diese anschauen. Ihre spröden und nüchternen Werke werfen mehr Fragen auf, als dass sie Antworten geben. Dazu passt, dass Heise ihre Werke nur vordergründig als realistisch verstanden wissen will.
Da ist etwa das Bild “Die Wandlung” (2012). Fast fotografisch genau zeigt es einen jungen Priester, der an einem Altar mit brennenden Kerzen die Hostie bei der Wandlung hochhält. Nach der alten Liturgie steht er mit dem Rücken zu den Gläubigen. Ein Messdiener im weißen Chorrock und ein weiterer Priester assistieren ihm, indem sie sein grünes Messgewand hochhalten. Altar und Architektur scheinen neugotisch zu sein.
Das Motiv wirkt wie die kritische Bebilderung einer konservativen und rückwärtsgewandten Kirche, wie eine Reminiszenz an alte katholische Rituale. Oder ist es eine Beschwörung vergangener Zeiten? Die Interpretation muss offen, das Bild ein Rätsel bleiben – wie fast alle Werke von Almut Heise.