“Schämt Euch unser nicht!”

Das Foto zeigt eine lachende junge Frau im Sommerkleid mit Perlenkette, die dunklen lockigen Haare zurückgekämmt: Die abgebildete Grafikerin Elisabeth Hohenemser ist seit 1934 mit dem Bildhauer Kurt Schumacher verheiratet. Das Paar beteiligt sich an Aktionen der Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“. Am 22. Dezember 1942 wird Elisabeth Schumacher in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Ihr Schicksal ist eines von 250 Beispielen weiblichen Widerstands, denen sich eine neue Sonderausstellung in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin widmet. Anlass ist der 80. Jahrestag des gescheiterten Attentats auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944.

Während des Krieges unterstützt Elisabeth Verfolgte, hilft ihren von der Deportation bedrohten jüdischen Verwandten, leistet Kurierdienste. Nachdem die Gestapo das Netzwerk der „Roten Kapelle“ aufdeckt hat, wird auch Elisabeth verhaftet und wegen Hochverrat, Feindbegünstigung und Spionage zum Tode verurteilt. In einem Brief schreibt die 38-Jährige an ihre Mutter und die Schwiegermutter: „Ich bitte Euch um das Eine: Schämt Euch unser nicht!“ Sie sei nur ihrer Überzeugung gefolgt.

Die Ausstellung dokumentiert: Wer sich auflehnte und gegen das Unrechtsregime kämpfte, egal ob Mann oder Frau, zeigte Mut und riskierte sein Leben. Was die Geschichte betrifft, sagt Johannes Tuchel, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, gebe es noch immer Nachholbedarf in der Forschung zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus.

Aus Anlass des 80. Jahrestags des gescheiterten Attentats auf Hitler widmet sich die Gedenkstätte nun erstmals der Breite des weiblichen Widerstands. Im Jahre 2019 hatte der Bundestag ein Projekt dazu angeregt, er förderte auch die Ausstellung. Erstmals werden die unterschiedlichen Formen des weiblichen Protestes gegen das NS-Regime aufgezeigt. „Diese Frauen haben ihre Handlungsspielräume genutzt“, erklärt Johannes Tuchel: „Das wollen wir deutlich machen.“

23 thematische Stationen beleuchten exemplarisch die Lebensbilder von 32 Frauen. Neben Kurzporträts von Widerständlerinnen aus kirchlichen Kreisen wie Elisabeth Schmitz und Margarete Sommer, prominenten Widerstandskämpferinnen wie Sophie Scholl oder den Frauen der Rosenstraße, die 1943 gegen die Verhaftung ihrer Männer protestiert und ihre Befreiung erwirkt hatten, werden zahlreiche Unbekannte gewürdigt.

Die 21-jährige Jüdin Hildegard Loewy stand der kommunistisch-zionistischen Widerstandsgruppe um Herbert Baum nahe. Sie beteiligte sich an Aktionen gegen die antisowjetische NS-Propagandaschau „Das Sowjetparadies“, wurde im Juli 1942 verhaftet und misshandelt. Ein Fluchtversuch scheiterte, im März 1943 wurde sie in Plötzensee ermordet.

Dass auch populäre Musik eine Form des Widerstands sein kann und zur Politisierung junger Menschen führte, zeigt das Beispiel der Hamburger Schwestern Inga und Jutta Madlung. Schon als Schülerinnen treten sie als „Swinggirls“ auf, ein vom NS-Regime abgelehnter Musikstil. Nach der Einführung des Judensterns 1941 zeigen sie sich weiterhin mit jüdischen Freundinnen in der Öffentlichkeit, werden verhaftet und im Herbst 1942 ins KZ Ravensbrück deportiert. Die Ausstellungsstation zeigt Briefe an die Eltern aus der Haft, wo sie ihre Swinglieder heimlich vor Mitgefangenen singen. Die Schwestern überleben und sagen nach Kriegsende als Zeuginnen über die Haftbedingungen und eine Aufseherin aus.

Die weltanschauliche Breite des Widerstands belegt das Schicksal der Stuttgarterin Martha Klenk, geborene Neuffer, die zu den Zeugen Jehovas gehörte. Die Glaubensgemeinschaft, die weltliche Eide, die Mitgliedschaft in politischen Organisationen und den Militärdienst ablehnt, wird früh von den Nazis verfolgt. Dem Lebensbild von Martha Klenk ist ein Zitat von ihr vorangestellt: „Wir konnten Hitler nicht wählen, denn wir hatten ja schon gewählt, dass wir für Gott sind.“

Weitere Frauen des Widerstands lassen sich an der Medienstation sowie auf einer zur Ausstellungseröffnung freigeschalteten Webseite recherchieren. Dort sind die Biografien von rund 250 Frauen und ihr Engagement gegen das NS-Regime belegt.