Sachverständige mehrheitlich für Gesetz gegen Gehsteigbelästigungen

Dürfen Abtreibungsgegner vor Beratungsstellen und Praxen Menschen ansprechen? Damit beschäftigt sich der Familienausschuss des Bundestags und holt Rat von Experten ein.

Vor Beratungsstellen wie Pro Familia sprechen Abtreibungsgegner Frauen an
Vor Beratungsstellen wie Pro Familia sprechen Abtreibungsgegner Frauen anImago / epdbild

Der Gesetzentwurf gegen Proteste und Belästigungen von Lebensschützern vor Beratungsstellen oder ärztlichen Praxen stößt bei einigen Juristen auf Skepsis, wird von Fachleuten aber mehrheitlich unterstützt. Im Familienausschuss des Bundestages wiesen Sachverständige darauf hin, dass die Versammlungs- und Meinungsfreiheit ein hohes Gut sei. Es müsse gegen die Persönlichkeitsrechte der Frauen abgewogen werden.

Der Gießener Experte für Öffentliches Recht, Steffen Augsberg, warnte die Bundesregierung vor einer Überregulierung. Die Behörden könnten bereits heute gegen die Belästigungen vorgehen. Der Bonner Kirchenrechtler Christian Hillgruber wies darauf hin, dass behördlichen Einschränkungen der Proteste auch die Religionsfreiheit gegenüberstehe. Christen, die Plakate wie „Du sollst nicht töten“ hochhielten, seien dafür nicht zu belangen.

Proteste soll im Umkreis verboten werden

Mit dem Gesetz gegen die sogenannten Gehsteigbelästigungen sollen die Proteste von Abtreibungsgegnern vor Beratungsstellen und Praxen oder Kliniken im Umkreis von 100 Metern verboten und als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von bis zu 5.000 Euro bestraft werden können. Ein zentrales Argument ist, dass die Beratungspflicht zum Schwangerschaftskompromiss in Deutschland gehört und die Frauen ungehinderten Zugang zu dieser Beratung haben müssen. Außerdem sind die Bundesländer verpflichtet, die ärztliche Versorgung sicherzustellen, was auch Schwangerschaftsabbrüche umfasst.

Abtreibungen sind in Deutschland illegal, bleiben aber straffrei, wenn die Frau ihrer Pflicht nachkommt, sich beraten zu lassen und eine Bedenkzeit einzuhalten. Neben pro familia bieten Wohlfahrtsverbände die Beratungen an. Die katholische Organisation „Donum Vitae“ unterhält ebenfalls Beratungsstellen.

Pro Familia: Proteste vor der Tür erschweren Beratungen

Eine Mehrheit der Sachverständigen, darunter Vertreterinnen des Deutschen Städtetags, des Deutschen Juristinnenbundes, vom Bundesverband Pro Familia, juristische Einzelsachverständige und der Bundesärztekammer begrüßten den Gesetzentwurf. Ihre Kritik bezog sich auf die Umsetzung in der Praxis.

So schilderte Claudia Hohmann vom Bundesverband Pro Familia, die Proteste vor der Tür erschwerten die Beratungen und den Berufsalltag der Beraterinnen. Ähnlich äußerte sich die Bundesärztekammer und regte an, auch digitale Angriffe und Belästigungen in das Gesetz aufzunehmen. Der Düsseldorfer Strafrechtler Helmut Frister kritisierte, der unnötig komplizierte Entwurf mache es Gerichten indes schwer, Urteile zu fällen. Für den Paritätischen Gesamtverband kritisierte Juliane Meinhold, bei den Aktionen der Abtreibungsgegner gehe es nicht um die Meinungsfreiheit, sondern darum, unmittelbar Druck auf die Frauen, Beraterinnen sowie Ärztinnen und Ärzte auszuüben.

Der Gesetzentwurf wird nun weiter im Bundestag beraten. SPD, Grüne und FDP setzen damit eine Koalitionsvereinbarung um.