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“Alternative Betriebssysteme für unsere Welt” in der Kunst entdecken

Welche Rolle kann die Kunst spielen, um den ökologischen, sozialen und kulturellen Herausforderungen zu begegnen? An einer Antwort versucht sich die Ausstellung „Assembling Grounds. Praktiken der Koexistenz“ im Karlsruher Zentrum für Kunst und Medien (ZKM), die von Samstag an zu sehen ist. Sie soll nach den Worten der Kuratorinnen Mira Hirtz und Daria Mille zeigen, wie Kunst dazu beitragen kann, dass die Erde ein lebenswerter Ort für Menschen, Tiere und Pflanzen bleibt.

Der Titel sei bewusst mehrdeutig gewählt, hieß es am Freitag bei der Vorstellung der Schau anlässlich ihrer Eröffnung. So stehe der Begriff „Grounds“ nicht nur für Boden oder Erde, sondern auch für „Grundlage“ oder „gemeinsamer Grund“. In der bis 31. Mai 2026 dauernden Schau befassen sich Künstlerinnen und Künstler aus Indien, Sri Lanka, Frankreich und Deutschland mit ökologischer Gerechtigkeit, einem Systemwandel der Gesellschaft und möglichen Formen planetarer Koexistenz.

Die sozialen Lebensweisen von Termiten-, Bienen- und Ameisenvölkern dienen dem Künstler Maksud Ali Mondal als Inspiration für nachhaltige Architektur und Ernährung. Er wolle zeigen, wie „harmonisch Insekten zusammenleben“, trotz der gegenseitigen Abhängigkeit ihrer Mitglieder. Gegenseitige Einflussnahme und Abhängigkeit könnten auch Faktoren für soziale Stabilität und Widerstandsfähigkeit menschlicher Gesellschaften sein, erklärte Mondal.

Der Dokumentarfotograf Abhijit Patil thematisiert in seinem Werk „Life doesn’t grow in banks“ (Das Leben wächst nicht in Saatgutbanken) etwa die politische Dimension von Saatgut. Der Erhalt alter Pflanzensorten durch Saatgut sei nicht nur in Indien, sondern auch in Deutschland und Europa ein Thema. Er ist überzeugt: „Samen sind unsere Identität. Wenn wir die Vielfalt des Saatguts verlieren, verlieren wir auch die Vielfalt in unserer Gesellschaft.“

Angesichts des globalen Wettrüstens um die Nutzung Künstlicher Intelligenz und eines „neuen Tech-Imperialismus“ müsse ein Weg gefunden werden, um technologischen Fortschritt mit den ökologischen Bedürfnissen des Planeten in Einklang zu bringen, sagte Alistair Hudson, Wissenschaftlich-künstlerischer ZKM-Vorstand, im Vorfeld der Ausstellung. Dafür wolle das Museum unterschiedliche Stimmen zusammenbringen, um über „alternative Betriebssysteme für unsere Welt“ nachzudenken.

Im Kubus vor dem Medienmuseum wächst ein Pflanzenwald. Die Installation „Phyto-Travellers“ der Argarwirtschaftlerin und Künstlerin Eva-Maria Lopez zeigt einen raumgreifenden Garten, der sich der Migationsgeschichte sogenannter Neophyten widmet. Das sind Pflanzen, die im Zuge kolonialer Expansion nach 1492 aus anderen Weltregionen eingeführt wurden. Statt ihre indigenen Namen zu behalten, seien sie neu benannt worden. Als Beispiel nannte Lopez die Kamelie. Sie stamme aus der Teefamilie und werde in Asien seit Jahrtausenden als Cha oder Chai bezeichnet.