Saarland streicht Begriff „Rasse“ aus der Landesverfassung

Bundesländer schreiten voran. Drei haben bereits den Begriff „Rasse“ aus ihren Verfassungen gestrichen. Auch Biologen sehen keine wissenschaftliche Grundlage, die Menschheit in Rassen einzuteilen.

Brandenburg und Thüringen haben es vorgemacht. Das Saarland folgte am Mittwoch. Die jeweiligen Landtage haben den Begriff „Rasse“ aus ihren Landesverfassungen gestrichen. „Niemand darf wegen (…) seiner Rasse (…) benachteiligt oder bevorzugt werden“, hieß es bislang im Artikel 12 der Landesverfassung des Saarlandes. Künftig lautet die Formulierung: „aufgrund rassistischer Zuschreibungen“.

Auch auf europäischer Ebene und auf Bundesebene gibt es seit Längerem Bestrebungen, den Begriff „Rasse“ zu streichen. Finnland, Schweden und Österreich verwenden alternative Formulierungen. Finnland etwa formuliert ein Verbot der Diskriminierung aus Gründen der „Herkunft“.

In Deutschland ist die jahrelange Debatte bislang ohne konkretes Ergebnis geblieben. „Solange der Begriff Rasse wie in Artikel 3 Grundgesetz in Bezug auf Menschen verwendet wird, löst er Irritation und Sprachlosigkeit aus, bis hin zu persönlichen Verletzungen“ mahnt beispielsweise das Deutsche Institut für Menschenrechte. Die Regierungskoalition hat den Verzicht auf den Begriff sogar im Koalitionsvertrag vereinbart. Doch die Suche nach Ersatzformulierungen ist aus juristischer Sicht schwierig.

Klar ist, dass Artikel 3 des Grundgesetzes – „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, ….benachteiligt oder bevorzugt werden“ – nahelegt, es gebe unterschiedliche Menschenrassen. Fest steht aber auch, dass die Väter und Mütter des Grundgesetzes 1949 gerade ein deutliches Zeichen gegen den Rassenwahn der Nazis setzen wollten.

Die Idee, dass es biologisch definierte Menschenrassen gibt, reicht ins 19. Jahrhundert zurück. Eine der wichtigsten Spuren führt nach Jena. Dort lehrte der „deutsche Darwin“ Ernst Haeckel (1834-1919), der Darwins Evolutionslehre in Deutschland etablierte und dessen Ideen zu einer Abstammungslehre ausbaute. Dabei ging er noch einen Schritt weiter als der Brite und wandte die Erkenntnisse aus dem Tier- und Pflanzenreich auch auf den Menschen an. Mit fein verästelten Stammbäumen führte der Jenaer Zoologe seinen Zeitgenossen vor Augen, dass alles Leben in demselben Ursprung wurzele und dass der Mensch gemeinsame Vorfahren mit den Affen habe.

Auch bei den Menschen sah Haeckel Entwicklungsstufen: Er teilte die Menschheit in 12 Arten und 36 Rassen ein. Die Stellung der einzelnen Gruppen basierte auf willkürlich herausgegriffenen Merkmalen wie Hautfarbe, Kopfform und Haarstruktur. Den ersten vier Arten – „Papuas, Hottentotten, Kaffern und Negern“ – sprach er Kultur ab. Allein die weiße Art habe eine Blüte der Kultur entwickelt.

Politik war für Haeckel „angewandte Biologie“, und er avancierte zu einem Wegbereiter der Rassenhygiene in Deutschland. Nazi-Ideologen zogen Teile seiner Aussagen später für ihren Rassismus heran – bis hin zur Unterscheidung zwischen einer vermeintlich arischen und einer vermeintlich jüdischen Rasse.

Eine verhängnisvolle Lehre, die ihre Giftspur bis heute hinter sich herzieht – bis hin zur ethnisch-rassisch definierten „Volksgemeinschaft“ von Rechtsradikalen. Deshalb sahen sich Spitzenforscher aus Zoologie und Anthropologie 2019, zu Haeckels 100. Todestag, dazu aufgerufen, dessen Lehre noch einmal nach dem neuesten Stand der Forschung zurückzuweisen.

„Menschen nach Rassen zu sortieren, entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage“, hieß es in der in Jena, am Lehr- und Lebensort Haeckels, veröffentlichten Erklärung. „Es gibt im menschlichen Genom unter den 3,2 Milliarden Basenpaaren keinen einzigen fixierten Unterschied, der zum Beispiel Afrikaner von Nicht-Afrikanern trennt. Es gibt – um es explizit zu sagen – somit nicht nur kein einziges Gen, welches ‚rassische‘ Unterschiede begründet, sondern noch nicht mal ein einziges Basenpaar“, so die Wissenschaftler.

Ausdrücklich riefen die Evolutionsforscher dazu auf, den Begriff „Rasse“ nicht mehr zu verwenden. Das werde zwar Intoleranz und Rassismus nicht verhindern. Doch wollten sie mit der konsequenten Streichung aus dem Wortschatz dafür sorgen, „dass nie wieder mit scheinbar biologischen Begründungen Menschen diskriminiert werden“.