Für die Menschen im Saarland sind nach einer Umfrage Wirtschaft (22 Prozent) sowie Arbeitslosigkeit und Arbeitsmarkt (21 Prozent) die wichtigsten Themen. Der Themenbereich Asyl und Migration (12 Prozent) – im benachbarten Rheinland-Pfalz an erster Stelle genannt – folge erst auf Platz drei, erklärte der Trierer Politikwissenschaftler Uwe Jun am Freitag in Saarbrücken bei der Vorstellung des „Saarland-Monitors“. Insgesamt zeigten die Saarländerinnen und Saarländer einen realistischen Blick, gepaart mit Skepsis. Die Sorge in der Gesellschaft sei sehr groß, betonte er. „Zukunftspessimismus sehen wir durchgehend.“ Dabei schätzten die Menschen ihre aktuelle, individuelle Lage als gut ein.
89 Prozent der Saarländerinnen und Saarländer stimmen den ersten Zwischenergebnissen des „Saarland-Monitors“ zufolge zu, dass die Demokratie am besten „zu unserer Gesellschaft passt“. Allerdings sei nur eine knappe Mehrheit (54 Prozent) mit ihrer derzeitigen Funktionsfähigkeit zufrieden, erläuterte Projektleiter Jun. Eine überwiegende Mehrheit der Saarländerinnen und Saarländer (79 Prozent) wünsche sich mehr direktdemokratische Verfahren wie Volksentscheide und Referenden. „Die Menschen wollen mehr demokratisch partizipieren, sie wollen mehr beteiligt werden“, sagte der Inhaber des Lehrstuhls für „Westliche Regierungssysteme: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland“ an der Universität Trier. Das sollte die Politik mehr in den Blick nehmen.
Jun und sein Team vom Trierer Institut für Demokratie- und Parteienforschung stellten zudem fest, dass unter der Decke der allgemeinen Zustimmung zur Demokratie auch antidemokratische Haltungen zu finden seien. „Das finden wir schon seit einigen Jahrzehnten in Deutschland“, sagte der Politikwissenschaftler. Neu aber sei, dass diese antidemokratischen Haltungen stärker politisch instrumentalisiert würden. Während die Menschen im Saarland der Umfrage zufolge mehrheitlich gegen eine Diktatur seien (87 Prozent), befürworte fast die Hälfte (47 Prozent) eine einzige starke Partei und rund ein Drittel (30 Prozent) eine starke Führungspersönlichkeit.
Der Politikwissenschaftler machte auch auf den Aspekt der sogenannten subjektiven Deprivation aufmerksam. Dabei geht es um die Frage, ob Menschen sich innerhalb der Gesellschaft ungerecht behandelt und benachteiligt fühlen. Wer sich so fühle, neige dazu, radikale Positionen anzunehmen, betonte Jun. Im Saarland teilten 34 Prozent der Befragten dieses Gefühl.
Quer durch alle gesellschaftlichen Gruppen (70 Prozent) zieht sich laut Jun die Auffassung, dass die Mächtigen, die die Gesellschaft dominieren, gegen die Interessen der einfachen Bevölkerung handeln. Weniger als die Hälfte der Befragten (43 Prozent) glaubt, dass geheime Organisationen politische Entwicklungen kontrollieren. Fast genauso viele (44 Prozent) denken das nicht. Dabei spielt laut Jun der Faktor Bildung eine entscheidende Rolle: je geringer das Bildungsniveau, desto höher der Glaube an diese Verschwörungsideologie.
Nur eine Minderheit (acht Prozent) vertritt der Befragung zufolge antisemitische Positionen. Anders sehe das jedoch bei der Muslimfeindlichkeit aus, betonte Jun. So stimmten 38 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass Muslime eine Bedrohung für Stabilität und Sicherheit in Deutschland seien. Hervorzuheben sei, dass dies auch ein Viertel (25 Prozent) der Befragten mit Migrationshintergrund so sieht. Mehr als die Hälfte (58 Prozent) der Saarländerinnen und Saarländer stimmt der Aussage zu, dass eine Überfremdung durch fremde Kulturen stattfinde. Auch hier spiele wieder der Bildungsgrad eine Rolle, erklärte der Politikwissenschaftler.
Für den Saarland-Monitor befragte infratest dimap mithilfe von Telefoninterviews von Mitte Juni bis Mitte Juli 1.201 Saarländerinnen und Saarländer. Das Trierer Institut für Demokratie- und Parteienforschung wertet zurzeit die Ergebnisse im Auftrag des saarländischen Landtags aus und will im Herbst 2026 einen Abschlussbericht veröffentlichen. Ähnliche Untersuchungen laufen zurzeit auch in NRW, Rheinland-Pfalz, Hessen, Niedersachsen, Thüringen und Berlin.