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Rumäniens Präsident Klaus Iohannis tritt zurück

Die Riege engagierter Europäer wird wieder kleiner: Nun geht auch Rumäniens Präsident Klaus Iohannis. Lange hatte er erfolgreich versucht, den politischen und juristischen Schlendrian in seinem Land in Schach zu halten.

Der Mittwoch wird wieder kein guter Tag für Europa. Rumäniens Staatspräsident Klaus Iohannis hat seinen Rücktritt vom Amt angekündigt. Er wolle dem Land und seinen Bürgern eine Krise ersparen, sagte er zur Begründung. Dabei könnte man meinen, das habe er gerade in den zehn Jahren zuvor getan: Er regierte Rumänien, um dem Land und seinen Bürgern eine Krise zu ersparen. Nun, ganz am Ende seiner Amtszeit, zieht Iohannis die Reißleine, um einer Amtsenthebung durch Rechtsextreme zuvorzukommen.

Eigentlich, turnusgemäß nach zwei Legislaturen, wäre schon im Dezember Schluss gewesen mit der Präsidentschaft des Siebenbürger Sachsen in Bukarest. Doch überraschend siegte im ersten Wahlgang ein rechtsextremer Politiker, Calin Georgescu – und das Verfassungsgericht befand, im Wahlkampf sei es keinesfalls mit rechten Dingen zugegangen; ja es gebe gar Beweise für eine massive Einflussnahme Moskaus über die Sozialen Medien. Die Wahl werde im Frühjahr wiederholt, und solange bleibe Iohannis im Amt.

Dagegen mobilisierten mehrere rechtsextreme Parteien, setzten bei einer Desavouierung des im Ausland hoch angesehenen Präsidenten an. Zuletzt demonstrierten Tausende Menschen gegen Iohannis und für den prorussischen Kandidaten Georgescu. Ein Amtsenthebungsverfahren stand im Raum, dem der 65-jährige Iohannis nun zuvorkommt.

Es ist das bittere Ende einer Amtszeit, in der der prowestliche Präsident Rumänien tatsächlich zu einem Teil der EU machte. Korruptionsbekämpfung und Rechtsstaatlichkeit standen ganz oben auf seiner politischen Agenda. Den Internationalen Karlspreis 2020 erhielt Iohannis mit der Begründung, er sei ein “herausragender Streiter für die europäischen Werte”. Das “herausragend” bezog sich nicht auf seine Körpergröße von 1,92 Metern, sondern auf seinen Einsatz für Freiheit und Demokratie, den Schutz von Minderheiten und kultureller Vielfalt.

Rumänien beschrieb das Karlspreis-Komitee damals als ein Land, das eine “brutale Diktatur” überwunden, nach der Wende 1989/90 gegenüber dem Westen aber auch Enttäuschungen erfahren habe. Iohannis habe Rumänien mit großem Einsatz und Erfolg “Schritt für Schritt zum europäischsten Land in Südosteuropa gemacht”.

Klaus Iohannis gehört der rumäniendeutschen Volksgruppe der Siebenbürger Sachsen an. Am 13. Juni 1959 in Sibiu (Hermannstadt) geboren, betrachtet sich der evangelische Christ, der mit seiner katholischen Ehefrau häufig die katholische Messe besucht, selbst als “ethnisch Deutschen und rumänischen Staatsbürger”. Nach dem Physikstudium war er als Lehrer am Hermannstädter deutschen Brukenthal-Gymnasium und als Schulinspektor tätig.

Weil ihn der Niedergang seiner Stadt nach der Wende frustrierte, wechselte Iohannis in die Lokalpolitik. Obwohl die Deutschen nur noch rund ein Prozent der 170.000 Einwohner Sibius stellten, wurde er 2000 Bürgermeister. Er und seine Sachsen erarbeiteten sich eine Zweidrittelmehrheit im Stadtrat.

In den 14 Jahren seiner Amtszeit mauserte sich Sibiu zur Vorzeigestadt. Iohannis schuf Vertrauen, zog Investitionen ausländischer und vor allem deutscher Firmen an, kämpfte gegen die grassierende Korruption. Auf Rumänisch sagt man zu dieser Form der Unbestechlichkeit anerkennend: “Er hat eine kleine Familie.”

Bei seinen Wiederwahlen als Bürgermeister wuchs die Zustimmung noch. Das Stadtbild wandelte sich von staubigem kommunistischem Verfall zu einem Schmuckkästchen. Als Sibiu 2007 Kulturhauptstadt Europas war, herrschte Vollbeschäftigung. Und auch in der folgenden Phase der Rezession setzte Iohannis auf Kulturförderung. Kultur wandele das Bewusstsein, so sein Credo.

2013 schloss sich Iohannis der Nationalliberalen Partei PNL an. Ein Jahr später wurde er zu deren Vorsitzendem und als Kandidat für die Präsidentenwahlen nominiert. Überraschend setzte er sich durch und wurde im Dezember 2014 vereidigt. Als bürgerlicher Außenseiter war der Proeuropäer mit dem Versprechen angetreten, die Korruption zu bekämpfen. Seinen sozialdemokratischen (postkommunistischen) Rivalen ließ Iohannis spotten und persönlich angreifen, ohne auf dessen Tonlage einzusteigen.

Doch der Wechsel von der siebenbürgischen Provinz in die Hauptstadt war steinig. Iohannis’ größtes Kapital war das Renommee des “Saubermanns”; und wer einen Sumpf trockenlegen will, darf nicht die Frösche fragen. Bis der kreuzseriöse, aber auch spröde und wenig charismatische Sachse im gut geschmierten Politikbetrieb Bukarests durchdrang, musste viel passieren.

Bei seiner Wiederwahl 2019 entschied Iohannis einen jahrelangen erbitterten Kampf mit der postkommunistischen PSD um Justiz und Korruption zwar am Ende für sich. Allerdings war damit noch kurz zuvor nicht wirklich zu rechnen gewesen. Quasi mit seinem letzten Trumpf wendete der Präsident das Blatt erneut für sich: Die Europawahl 2019 verband er mit einem Referendum über die Justizreform im Land. Sein postkommunistischer Rivale Liviu Dragnea wurde rechtskräftig zu dreieinhalb Jahren Gefängnis wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch verurteilt.

Iohannis gelang es zwar, die Stimmung gegen Korruption zu mobilisieren – doch die gibt es freilich auch im bürgerlich-liberalen Lager. Raubbau und Abholzung der Wälder in den Karpaten etwa, das schmutzige Geschäft der Holzbarone, ist wohl nicht ohne mächtige Deckung durch Parteimänner und Behörden möglich. Ein Garant für “saubere” Politik im Sinne der EU konnte am Ende auch Iohannis nicht sein. Nun geht der Lotse von Bord, die Stimmung ist endgültig gekippt – und die Westbindung Rumäniens steht allemal infrage.