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Ribbentrop-Enkel: In Europa droht neuer Wahnsinn von Ideologien

Der Unternehmensberater Dominik von Ribbentrop sieht Parallelen zwischen der aktuellen politischen Situation und der in Deutschland Mitte der 1920er Jahre. Trotz Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit sei die Weimarer Republik kein „Erfolgsmodell“ gewesen, schreibt der Enkel des NS-Außenministers Joachim von Ribbentrop (1893-1946) in seinem Ende August erscheinenden Buch „Verstehen – kein Verständnis“ (Westend Verlag): „Dafür fehlte eben genau das Gefühl der Sicherheit, der wirtschaftlichen Zufriedenheit und Perspektive.“

Die direkte Folge nach der Verwüstung des Kontinents durch den Zweiten Weltkrieg sei die große Errungenschaft der europäischen Integration, bilanziert von Ribbentrop: „Die Überwindung der Nationalismen sowie die Einsicht, dass wir als Kulturgemeinschaft auf engstem Raum gemeinsam viel schneller, friedlicher und erfolgreicher sind als im egoistischen Alleingang.“

Nun aber „zerbröselt“ Europa, so Dominik von Ribbentrop: „Die Parteien der Mitte verlieren überall an Boden. Wir bewegen uns mittlerweile auf dünnem Eis und nichts ist mehr sicher.“ Sollte es Europa nicht schaffen, seinen Bürgern ein Gefühl der Sicherheit, der wirtschaftlichen Zufriedenheit und Perspektive zu geben, werden sich diese „ganz schnell offen für andere Modelle zeigen, anstatt zu kämpfen für ein System, das für sie nicht funktioniert“.

Als Enkel des NS-Botschafters und Außenministers Joachim von Ribbentrop sei er sozusagen per Geburt mit der deutschen Geschichte, dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust verbunden, schreibt der in den 1960er Jahren geborene Dominik von Ribbentrop im Vorwort: „Da komme ich nicht mehr raus.“ Er verstehe sein Buch als Warnung: „Da die Erinnerungen an den Nationalsozialismus allmählich verblassen und alle Zeitzeugen bald gestorben sein werden, droht erneut der Wahnsinn von Ideologien, Dominanzstreben und Nationalismen sein Haupt zu erheben. Nicht nur bei uns in Europa, sondern überall, wo Menschen wirken.“

Joachim von Ribbentrop trat 1932 in die NSDAP ein. Er wurde Hitlers außenpolitischer Berater, ab 1936 Botschafter in London und ab 1938 Reichsaußenminister. Er spielte eine zentrale Rolle bei der Außenpolitik des Dritten Reichs, unter anderem beim Abschluss des Molotow-Ribbentrop-Pakts. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er 1946 bei den Nürnberger Prozessen als Hauptkriegsverbrecher verurteilt und hingerichtet.