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Renovabis-Chef: Wohlstand nicht auf Kosten von Menschen aus Osteuropa

Viele Dienstleistungen sind nur verfügbar, weil Grauzonen in der Arbeitswelt geduldet werden. Dies geht auf Kosten der Menschenwürde, findet das Osteuropahilfswerk Renovabis und fordert einen besseren rechtlichen Rahmen.

Das katholische Osteuropahilfswerk Renovabis hat zum internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember einen Appell an Politik und Gesellschaft gerichtet. Der wirtschaftliche Wohlstand in Deutschland dürfe nicht auf rechtlichen Grauzonen, prekären Arbeitsverhältnissen und Ausbeutung von Menschen aus Osteuropa fußen, heißt es in einer am Montag in Freising veröffentlichten Erklärung. Renovabis-Chef Thomas Schwartz nannte es besorgniserregend, dass in manchen Branchen Standards akzeptiert würden, die für deutsche Arbeitnehmer undenkbar seien.

“Viele Dienstleistungen sind nur verfügbar, weil Menschen – sehr viele von ihnen aus dem Osten Europas – nicht denselben Schutz genießen wie wir. Werden wir unserer ethischen Verantwortung gerecht, wenn wir diese in Anspruch nehmen? Dies müssen wir uns ehrlich fragen”, erklärte Schwartz. Renovabis forderte den Gesetzgeber auf, sogenannte Parallelwelten aufzulösen.

Als Beispiel wird auf die Fleischindustrie verwiesen, wo für Arbeitsmigranten faktisch Sonderzonen geduldet würden. Menschen mit Migrationshintergrund würden gezielt dort eingesetzt, wo Arbeit gefährlich, schwer und unbeliebt sei, heißt es. Auch in der häuslichen Pflege bestehe Handlungsbedarf. Die Versorgung pflegebedürftiger Menschen durch “24-Stunden-Kräfte” finde oft in einem rechtlichen Unschärfebereich statt. Hunderttausende Osteuropäerinnen leisteten hier Unverzichtbares, doch ihre ständige Verfügbarkeit sei mit regulärem Arbeitsrecht nicht vereinbar. Nötig seien ehrliche, legale Modelle, forderte Schwartz.

Mit großer Sorge blickt das Hilfswerk auch auf die sexuelle Ausbeutung von Frauen aus Armutsregionen. So habe erst jüngst Héma Sibi, Direktorin der Hilfsorganisation CAP International, darauf aufmerksam gemacht, dass in Deutschland über 80 Prozent der Frauen in der Prostitution Migrantinnen seien. Das System beute somit gezielt die am stärkten diskriminierten Gruppen aus. Renovabis plädiert daher für das “Nordische Modell”, das Kunden kriminalisiert. So könne die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen eingedämmt und Betroffenen echte Ausstiegsmöglichkeiten geboten werden.