Religionsvertreter betonen Wert von Demokratie

Vertreterinnen und Vertreter von Religionsgemeinschaften haben am Dienstag den Wert von Demokratie und Religionsfreiheit betont. „Muslimfeindlichkeit und Antisemitismus werden wir immer widersprechen, und zwar laut“, sagte der bayerische evangelische Landesbischof Christian Kopp am Dienstag in München bei der Diskussionsrunde „Wie viel Religion braucht Demokratie?“. Zu der Veranstaltung in der Hanns-Seidel-Stiftung hatten der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und die frühere Münchner evangelische Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler eingeladen.

Religion und Demokratie seien in der Geschichte keine natürlichen Partnerinnen gewesen, sagte Kopp. Gerade der Protestantismus habe sich oft schwer mit Veränderungen und mit der Entstehung der Demokratie getan. Heute hingegen sei man glücklich, in einem Staat zu leben, in dem Religionsfreiheit garantiert werde. Religion brauche daher die Demokratie. Feindlichkeit und Hass gegenüber Religionen und Menschen hingegen seien nie hinzunehmen, betonte Kopp.

Der Penzberger Imam Benjamin Idriz beklagte in seinem Vortrag laut Manuskript eine zunehmende Islamfeindlichkeit. Dennoch höre man nur selten den klaren Satz: „Muslimisches Leben in Deutschland muss geschützt werden.“ Er sei seit fast 30 Jahren als Imam in Deutschland tätig, sagte Idriz: „Ich habe nie zuvor so ein starkes Gefühl von Unsicherheit und gesellschaftlicher Spaltung verspürt, wie es derzeit der Fall ist.“ Laut Studien hätten rund sieben von zehn Personen eine negative bis feindliche Meinung über Muslime.

Er ermutige Gläubige in jeder Freitagspredigt, „positiv zu denken“ und sich „für dieses Land einzusetzen“, erläuterte er. Es sei entscheidend, „dass wir nicht resignieren, sondern uns aktiv für den Erhalt von Demokratie und Vielfalt engagieren“. Es werde aber auch darauf ankommen, wie die Politik, die jüdischen Gemeinden, die Kirchen und die Medien den Muslimen gegenüberstehen, also ob sie diese als gleichberechtigte Partner akzeptieren „oder sie an den Rand drängen“, sagte Idriz.

Auch aus der Politik kämen Stimmen, die den ersten Artikel des Grundgesetzes infrage stellten. „Diese Rhetorik, die die Würde des Menschen missachtet, kommt nicht nur aus den Reihen der AfD.“ Noch viel bedenklicher sei, dass selbst Behörden diskriminierende Publikationen herausgäben. „Leider mangelt es oft am nötigen Willen der höchsten politischen Repräsentanten, konstruktive muslimische Kräfte zu unterstützen“, bedauerte Idriz. Das Gefühl der Ausgrenzung führe dazu, „dass Muslime sich weiter zurückziehen und in Parallelwelten abdriften“.

Die frühere Münchner evangelische Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler wies darauf hin, dass Religionen „nicht automatisch kompatibel mit Demokratie“ seien. „Religion trägt in sich die Versuchung des Totalitären.“ Auch Institutionen, die Religionen vertreten, trügen stets die Versuchung in sich, „ihr Gedankengut, ihre Überzeugungen absolut zu setzen“. Religion müsse daher demokratie- und diskursfähig sein und die Zuständigkeiten des Rechtsstaates respektieren. „Sie darf sich nicht als Staat im Staate oder gar als eine Art Über-Staat verhalten.“

Zugleich erläuterte sie, dass Judentum, Christentum und Islam „keine monolithischen Einheiten“ seien. Man denke etwa an evangelikale Anhänger des früheren US-Präsidenten Donald Trump, an islamistische Terroristen, die ihre Verbrechen missbräuchlich im Namen Allahs verübten, oder an fundamentalistische jüdische Siedler im Westjordanland, die das Existenzrecht der palästinensischen Mitbevölkerung malträtierten. Nicht wenige Kirchenmitglieder in Deutschland machten keinen Hehl aus ihrer Abscheu gegenüber dem Rechtsstaat und ihrer Sympathie für „Quer-Nichtdenker, Reichsbürger und rechtsextremistische Gruppierungen“.

Der Augsburger Bischof Bertram Meier betonte, dass Demokratie „unbedingt“ auch Religion brauche. Religion fordere nicht einfach nur ihre Rechte ein, sondern leiste einen Beitrag zum demokratischen Gemeinwesen. Als Beispiel nannte Meier die „große Bedeutung“ von sozialen Diensten wie Caritas oder Diakonie. „Hier wird deutlich: Die Kirche steht nicht abseits, wenn es um den Aufbau einer gerechten Gesellschaft geht“, sagte der Bischof. Der Dienst an Mensch und Gesellschaft sei zugleich ein Dienst an der Demokratie. (00/xxxx/10.09.2024)