Soziologe sieht Gegentendenzen zum Bedeutungsverlust der Kirche

Der Religionssoziologe Detlef Pollack hält den Bedeutungsverlust von Kirche für umkehrbar. „Es gibt eine ganze Reihe von Gegentendenzen“, sagte der Seniorprofessor der Universität Münster am Mittwoch auf einer Veranstaltung zum Buß- und Bettag in Trier. Als Beispiele nannte er die Weihnachtsgottesdienste, die in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen hätten oder die hohe Wertschätzung für Diakonie und Caritas. Da habe sich eine „untergründige Vertrauenszuschreibung“ entwickelt, auch wenn kein Vertrauen in die Institution Kirche bestehe.

Auch hätten kirchliche Akteure ein besonderes Vokabular, einen „geistlichen Schatz“, wenn es um den Umgang mit persönlichen Schicksalen und Katastrophen gehe, betonte Pollack. „Viele Menschen können das nicht so ausdrücken, wie die Kirche das kann.“

Der Religionssoziologe unterstrich, dass leitende Geistliche nüchtern auf die aktuelle Rolle von Kirche in der Gesellschaft schauen müssten. „Wir leben heute in einer kirchengeschichtlich und religionsgeschichtlich neuen Zeit“, sagte er. Viele Menschen in Deutschland könnten mit Religion und Kirche nicht mehr so viel anfangen. Die Frage sei, ob das umgekehrt werden könne.

Leitenden Geistlichen empfahl er, sich denjenigen zuzuwenden, die noch Kirchenmitglied seien, aber nicht mehr kämen. Empirisch sei die Chance größer, diese Menschen zu erreichen, als diejenigen, die überhaupt keinen Bezug zu Kirche hätten.

Ein wichtiger Punkt in der Kirchenbindung sei die religiöse Sozialisation, unterstrich der Professor, der seit 2008 an der Universität Münster lehrt. Wenn Eltern beide die gleiche Konfession hätten, gebe es eine hohe Taufwahrscheinlichkeit. Sobald die Konfessionen gemischt seien oder nur einer der Partner einer Kirche angehöre, gingen die Zahlen zurück. „Die Weitergabe der Kirchenbindung von einer Generation an die andere ist gestört“, betonte Pollack.