Regionalbischöfin: “Bei Demokratie kann es keine Neutralität geben”

Nach Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) muss die Stadt Nürnberg aus der „Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg“ austreten. Laut einem Urteil vom 14. November darf der klagende AfD-Kreisverband Nürnberg/Schwabach den Austritt verlangen, wie das Gericht am Montag mitteilte. Zur Begründung hieß es, die Stadt müsse sich als Mitglied der Allianz Aussagen dieser zurechnen lassen. Weil sich die Allianz mehrfach öffentlich gegen die AfD positioniert hat, verletzte dies die Neutralitätspflicht der Kommune. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

In der mündlichen Verhandlung am vergangenen Mittwoch (13. November) hatte der zuständige Senat des BayVGH bereits auf die vom Bundesverfassungsgericht und vom Bundesverwaltungsgericht schon mehrfach festgestellte Pflicht öffentlicher Amtsträger zur parteipolitischen Neutralität hingewiesen. Dieser könne sich die Stadt nicht dadurch entziehen, dass sie sich mit anderen Kommunen und Organisationen in einer Allianz zusammenschließe. Eine „kommunale Öffentlichkeitsarbeit“, die sich gegen eine nicht verbotene Partei richte, verstoße gegen das grundgesetzlich garantierte Recht der AfD auf Gleichberechtigung.

Das Gericht sah einen „wirksamen Rechtsschutz“ der klagenden AfD nur dadurch gewährt, dass man der Partei gegenüber der Stadt einen Anspruch auf Austritt aus dem Verein zuerkenne. Die Stadt Nürnberg könnte Mitglied bleiben, so das Gericht, wenn die Allianz künftig auf explizite AfD-Kritik verzichte. Der BayVGH hat mit seinem Urteil die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach in erster Instanz kassiert. Das schriftliche Urteil wird den Beteiligten in den kommenden Tagen zugestellt; wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat der BayVGH auch eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

Die Allianz reagierte besorgt und mit Unverständnis auf das Urteil. Seit der Gründung habe man es sich zur Aufgabe gemacht, „allen Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, insbesondere Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Islamfeindlichkeit sowie Menschenverachtung und Demokratiefeindlichkeit entschieden entgegenzutreten“, wie es in der Präambel der Satzung heißt. Allianz-Vorsitzender Stephan Doll verwies auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Az: 2 BvE 4/20 RN 116), demzufolge staatliche Stellen „nicht gehindert, sondern sogar verpflichtet“ sind, „für die Grundsätze und Werte der Verfassung einzutreten“.

Die Stadt Nürnberg reagierte am Montag auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) nicht inhaltlich auf das Urteil. In einem schriftlichen Statement heißt es, das Urteil sei „noch nicht rechtskräftig“, ein sofortiger Austritt aus der Allianz müsse daher „nicht vollzogen werden“. Man wolle zudem „erst einmal die schriftliche Urteilsbegründung“ abwarten. Danach werde die Verwaltung dem Stadtrat einen Vorschlag zur Abstimmung vorlegen – dies könnte auch noch in der Dezember-Stadtratssitzung erfolgen. Sollte man sich für eine Revision entscheiden, habe man dafür bis zu vier Wochen nach Eingang der Urteilsbegründung Zeit.

Das Urteil des höchsten bayerischen Verwaltungsgerichts könnte weitreichende Folgen haben. Denn von den 487 Mitgliedern der 2009 gegründeten Allianz sind ziemlich genau ein Drittel Kommunen. Auch die bayerische evangelische Landeskirche ist Mitglied der Allianz, Nürnbergs Regionalbischöfin Elisabeth Hann von Weyhern ist stellvertretende Vorsitzende. Hann von Weyhern sagte auf epd-Anfrage, sie wolle jetzt auch erst einmal die schriftliche Urteilsbegründung abwarten. Man werde jedoch auf die Kommunen unter den Allianzmitgliedern zugehen. Es gelte jetzt „Ruhe zu bewahren“ und nichts übers Knie zu brechen, sagte sie.

Hann von Weyhern betonte, die staatliche Neutralitätsverpflichtung sei „natürlich ein sehr hohes Gut“. Es dürfe aber „in Fragen von Menschenrechten und Demokratie keine Neutralität geben, auch nicht bei Kommunen“. Sie gehe davon aus, dass die Allianz „auch weiter den Feinden der Demokratie“ mit klaren Worten entgegentreten wird und Kommunen auch weiterhin Mitglied sein können. „Es wird möglich sein, sich im gesetzlichen Rahmen weiter zu positionieren“, betonte die Regionalbischöfin. Das könnte wohl bedeuten, dass man auf die explizite Nennung der AfD verzichtet. „Das wird an der Klarheit unserer Positionierung aber nichts ändern.“ (00/3641/18.11.2024)