Regensburger Domspatzen: Kritik an verzögerter Aufarbeitung

Nachdem das Ausmaß der Missbrauchsfälle bei den Regensburger Domspatzen bekannt wurde, loben Experten das Konzept zur Aufarbeitung – doch die umfassende Aufarbeitung kam ihrer Ansicht nach sehr spät.

Der unabhängige Missbrauchs-Beauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, äußert sich kritisch über die Aufklärung der Missbrauchsfälle bei den Regenburger Domspatzen.
Der unabhängige Missbrauchs-Beauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, äußert sich kritisch über die Aufklärung der Missbrauchsfälle bei den Regenburger Domspatzen.epd/Rolf Zöllner

Passau/Köln. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, hat dem früheren Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller vorgeworfen, eine umfassende Aufarbeitung der Missbrauchsfälle bei den Regensburger Domspatzen versäumt zu haben. "Müller hat stets von Einzelfällen gesprochen, aber die strukturellen Versäumnisse nicht untersucht", sagte Rörig der "Passauer Neuen Presse" (online). "Es wäre den Betroffenen zu wünschen, dass er sich wenigstens jetzt für die verschleppte Aufarbeitung entschuldigen würde." Die frühere Missbrauchsbeauftragte Christine Bergmann (SPD) zeigte sich von dem Ausmaß des Missbrauchs überrascht.

Abschlussbericht legt gravierende Missstände offen

Am Dienstag hatte der für die Aufklärung der Missbrauchsfälle zuständige Rechtsanwalt Ulrich Weber in Regensburg den Abschlussbericht einer zweijährigen Untersuchung vorgelegt. Daraus geht hervor, dass bei den Regensburger Domspatzen jahrzehntelang Schüler geschlagen und sexuell missbraucht wurden. Rund 500 Sänger wurden Opfer von körperlicher Gewalt, 67 waren von sexueller Gewalt betroffen.
"Der Aufarbeitungsprozess in Regensburg sollte jetzt Vorbild für den christlichen Bereich sein, aber auch für alle anderen Organisationen, denen Kinder und Jugendliche anvertraut sind", sagte Rörig. Er lobte zugleich das Regensburger Vier-Säulen-Konzept zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle. Dazu gehörten die Aufklärung wie durch den Abschlussbericht, aber auch Hilfen, Anerkennung und die wissenschaftliche Aufarbeitung. Zugleich forderte Rörig höhere Mindeststrafen für sexuellen Missbrauch von Kindern. Der Mindeststrafrahmen von drei Monaten sei zu gering bemessen.

Brutaler Erziehungsstil bei den Domspatzen

Rörigs Vorgängerin im Amt des Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Christine Bergmann, sagte im Deutschlandfunk, es habe bei den Domspatzen über die Jahre hinweg alleine sehr viele Fälle von sexueller Gewalt gegeben, von Einzelfällen könne man nicht mehr sprechen. In dem Chor habe ein "ziemlich brutaler Erziehungsstil" mit viel psychischer sowie sexueller Gewalt geherrscht: "Das ist nicht etwas, was so aus Versehen mal von einem passiert", betonte die ehemalige Familienministerin.

Aufarbeitung mit schwächen behaftet

Auch Bergmann kritisierte die schleppende Aufarbeitung: "Ich glaube der wirkliche Aufarbeitungs- oder Aufklärungswille war nicht so ausgeprägt." Die Art und Weise, wie mit den Betroffenen umgegangen worden sei, zeige nicht, dass man sich ihnen wirklich "zuwenden wollte, auch ein Stück Anerkennung, Entschuldigung leisten wollte." Für sie sei das "immer wieder ein Argument dafür, dass Aufarbeitung und Aufklärung in diesen Fällen eigentlich von außen passieren muss."
Der für die Aufklärung zuständige Rechtsanwalt Weber hatte bei der Vorstellung des Abschlussberichts ebenfalls Vorwürfe gegen den heutigen Kardinal Müller erhoben, der die Aufarbeitung bei Bekanntwerden des Skandals 2010 in die Wege geleitet hatte. Die Aufarbeitung sei mit vielen Schwächen behaftet gewesen, etwa weil man nicht den Dialog mit Opfern gesucht habe. Eine klare Verantwortung für die strategischen, organisatorischen und kommunikativen Schwächen müsse deshalb Müller zugeschrieben werden. (epd)