Rassismus tut weh!

Es gibt ihn auch in der Kirche: Rassismus. Zwischen christlichem Selbstverständnis und dem Gemeindealltag klafft oftmals eine große Lücke. Denn alte Rollenbilder lassen sich nicht so leicht ablegen.

Mehr als 11.000 Menschen gingen in Hamburg gegen Rassismus auf die Straße.
Mehr als 11.000 Menschen gingen in Hamburg gegen Rassismus auf die Straße.picture alliance/dpa/Christian Charisius

Hamburg. Gospelchöre, ein exotisch bunter Gottesdienst, der Spendenempfänger der Kollekte – wenn Afrika in deutschen Gottesdiensten auftaucht, bedient es ganz bestimmte Rollenbilder: exotisch und bunt oder arm und hilfebedürftig. „Wir sind nicht nur Popowackeln, Trommeln und Tanzen“, sagt Pastor Peter Sorie Mansaray, Leiter des Afrikanischen Zentrums in Borgfelde und Beauftragter für die Zusammenarbeit mit Menschen und Gemeinden afrikanischer Herkunft.

Auch wenn es vielleicht nicht beabsichtigt sei – solche Stereo­typen seien rassistisch. Sie sind entstanden aus dem jahrhundertelang gewachsenen weißen Blickwinkel auf eine von Weißen dominierte Welt- und Wertestruktur. „Rassismus ist innerhalb der Kirche nach wie vor vorhanden“, sagt Mansaray. Dabei seien es nicht Beschimpfungen oder gar Gewalt, die er innerhalb der Kirche erlebt. Rassismus sei vielmehr immer wieder latent zu spüren und schwer zu greifen. „In Kirchengremien werde ich zum Beispiel gefragt, wann ich denn nach Afrika zurückkehre. Das tut weh“, erzählt Pastor Mansaray, der seit 28 Jahren in Deutschland lebt.

Es fehlt an Wertschätzung

Besonders schwierig sei es für schwarze Menschen in kirchliche Strukturen und Gremien hineinzukommen. Mansaray sitzt im Kirchengemeinderat in St. Georg mit zwei weiteren Mitgliedern ausländischer Herkunft. Und damit ist das Gremium vergleichsweise international aufgestellt. „Wir müssen viel mehr auf der Kanzel vertreten sein und predigen. Aber viele Menschen stören sich am afrikanischen Akzent.“ Das sei verletzend. „Es fehlt die Wertschätzung der Andersartigkeit“, sagt er.

„Wir sind keine heilige Gemeinde“

„Als Kirche sprechen wir gern davon, dass wir alle eins im Geist sind. Aber wir sind schließlich keine heilige Gemeinde, sondern eine Gemeinschaft von Menschen, und die sind per se nicht frei von Rassismus.“ Im Gegenteil: In Deutschland etwa sagen 73 Prozent der praktizierenden Christen, dass es wichtig ist, eine deutsche Abstammung zu haben, um „wirklich deutsch“ zu sein. Unter den konfessionslosen Deutschen sind es nur 35 Prozent, wie eine Studie des US-amerikanischen Pew Research Center ergab.

Das will die Nordkirche ändern. Derzeit arbeiten verschiedene Gruppen an Handlungsempfehlungen für einen bewussten Weg der interkulturellen Öffnung. „Wir müssen lernen, den Rassismus wieder zu verlernen“, sagt Dietrich Gerstner. Er ist Referent für Menschenrechte und Migration im Zentrum für Mission und Ökumene und Mitglied im Qualitätszirkel „Rassismuskritische Perspektiven auf die Kirche“. Sein bisheriges Fazit: „Wir brauchen viel mehr Menschen mit Migrations- und Rassismuserfahrungen im kirchlichen Alltag.“ Nur so können Rollenbilder aufgebrochen werden. Begegnungen seien dabei der Schlüssel, sind sich Mansaray und Gerstner einig.

Nur wenige Pastoren mit Migrationshintergrund

Mansaray wünscht sich, dass die Kirche in der Rassismusdiskussion aktiv Partei für die Schwächeren ergreift. Und das auch strukturell: „Ich wünsche mir einen Beauftragten für Rassismus und Diskriminierung“, sagt er. Auch Strukturen auf Leitungsebene müssten sich ändern: „Wir haben viel zu wenig Pastoren mit Migrationshintergrund.“ Das spiegele die gesellschaftliche Realität nicht wider. „Die Kirche hinkt der Gesellschaft schlicht und ergreifend hinterher“, so Gerstner. „Schwarze Menschen müssen starke Vorbilder sein“ – und mehr als ein Symbol für eine weltoffenen Kirche.