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Rassismus-Expertin Vecera: Rassismus auch ein Problem der Kirche

Die Theologin Sarah Vecera hat Christinnen und Christen zu mehr Sensibilität gegenüber rassistischen Tendenzen in der Kirche aufgerufen. Rassismus kategorisiere Menschen und stecke sie in eine Schublade, sagte die Antirassismus-Referentin der Vereinten Evangelischen Mission (VEM) am Dienstag vor der Synode der Evangelischen Kirche von Westfalen in Bielefeld. Wenn Kirche in einer diversen Gesellschaft mit einem Migrationsanteil von fast 50 Prozent bei Kindern nicht nur überleben, sondern eine wichtige Rolle einnehmen wolle, „dann lohnt es sich, da hinzuschauen“.

Auch in der Kirche wirkten noch theologische Auffassungen und Bilder aus der Zeit des Kolonialismus nach, erläuterte die Autorin. Wenn man bis heute in der Kirche singe „Schwarze, weiße, rote, gelbe, Gott hat sie alle lieb“, dann werde damit die Rassenideologie dieser Zeit reproduziert in einer scheinbaren Vergewisserung, dass Gott alle Menschen lieb habe.

Kirchen hätten jedoch für ein Engagement gegen Rassismus eine gute Grundlage, sagte Vecera. Jesus sei selbst zu denen gegangen, die ausgegrenzt wurden. „Und mit dieser Grundlage können wir eine Kirche sein, die einen Unterschied macht in einer Gesellschaft, die Menschen im Mittelmeer ertrinken lässt, die Kindern mit Migrationsgeschichte Chancen verwehrt, die kleine Kinder als Paschas bezeichnet und ihnen weniger das Gymnasium zutraut“, erklärte die Theologin und Pädagogin.

Rassismus in der Kirche zu bearbeiten, dürfe jedoch nicht das Engagement gegen Antisemitismus verringern, unterstrich Vecera. Eine Kirche, die glaubwürdig gegen Antisemitismus aufstehe, könne es sich wiederum nicht leisten, rassistische Strukturen zu ignorieren. Es seien unterschiedliche Geschichten, die aber aus derselben „falschen Hierarchie von Menschenleben“ hervorgebracht würden. Engagement gegen Rassismus solle jüdische Erfahrungen nicht relativieren, sondern daran anschließen. Kirche brauche die Fähigkeit, beides ernst zu nehmen.

Antisemitismus sei eine eigene, sehr spezifische Form von Menschenfeindlichkeit mit einer langen Geschichte, in die die Kirche tief verstrickt sei, sagte Vecera. Dies sei „leider alles andere als Vergangenheit, sondern bis heute hoch präsent“.

Rassismus wolle immer trennen und spalten. Gegen Rassismus helfe, sich gemeinsam zu verbinden, erklärte die VEM-Referentin. „Ich will Sie nicht als Rassisten beschimpfen, das sind Sie ganz sicherlich nicht“, sagte sie vor dem Kirchenparlament. Sie wolle jedoch dazu einladen, „nochmal hinzuschauen, was wir an Prägung mit uns herumtragen“.

Die westfälische Präses Adelheid Ruck-Schröder nannte den Vortrag einen weiteren Schritt, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. „Es wird uns aber auch weiter beschäftigen“, sagte die leitende Theologin der westfälischen Kirche.

Zum Thema „rassismussenible Kirche“ liegt der Synode auch ein Antrag vor. Er sieht unter anderem vor, die landeskirchliche Stelle einer oder eines Anti-Rassismus-Beauftragten zu schaffen.