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Ramelow: Viele Politiker haben Schwere der Krise nicht verstanden

Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow (Linke) sieht bei vielen politischen Verantwortungsträgern ein mangelndes Bewusstsein für die Krise der Demokratie. „Wie grundlegend die Krise unserer Parteiendemokratie ist, das haben leider längst noch nicht alle verstanden“, sagte Ramelow der in Hamburg erscheinenden Wochenzeitung „Die Zeit“ (Donnerstag, Ausgabe für Ostdeutschland).

Er sei erschrocken darüber, dass „viele Politiker im Bundestag nach wie vor in den Rhythmen der Bonner Republik“ dächten, sagte der ehemalige Ministerpräsident Thüringens. Sie gingen davon aus, dass die AfD ein Ost-Phänomen bleiben werde und dass die Krise der Demokratie nur eine vorübergehende sei.

Die Gesellschaft gehe jedoch auf die größte Veränderung zu, die die Menschheit je erlebt habe, sagte Ramelow. „Ich vergleiche das mit dem, was vor 500 Jahren passiert ist, mit Luthers Bibelübersetzung auf der Wartburg, in deren Folge es 100 Jahre Unfrieden gab, weil die Verhältnisse zusammengebrochen sind“, sagte er. „Ich bin davon überzeugt, dass alles, was wir nun in der digitalen Welt erleben, eine ähnliche Dynamik auslöst.“ Jeder könne eigene Inhalte im Netz erzeugen. Hinzu kämen Deepfakes, Populismus und Propaganda.

Es könne gelingen, die Parteiendemokratie zu revitalisieren, sagte Ramelow weiter. Ein erster Schritt könne sein, die Bevölkerung über das Grundgesetz abstimmen zu lassen. „Das wurde nach 1989/90 versäumt“, erklärte er. „Wenn wir das nun aber täten, würden wir uns damit noch einmal gemeinsam verständigen, wer wir sind, wer wir sein wollen.“