“Puvogel-Affäre”: Ministerin rehabilitiert früheren Richter Kramer

Die niedersächsische Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) hat den früheren Braunschweiger Richter Helmut Kramer in der sogenannten „Puvogel-Affäre“ rehabilitiert. Kramer hatte 1978 als Richter am Oberlandesgericht Braunschweig NS-rassenideologische Passagen aus der Dissertation des damaligen niedersächsischen Justizministers Hans Puvogel (1911-1999) an Kollegen versendet. Der CDU-Politiker Puvogel hatte sich zuvor geweigert, sich von diesem Gedankengut zu distanzieren, trat aber infolge der Affäre zurück, wie das Ministerium am Mittwoch mitteilte.

Das Oberlandesgericht hatte damals laut den Angaben Kramer im Anschluss gerügt: „Es steht dem Richter ebenso wenig wie dem Beamten zu, seinem Vorgesetzten Verfehlungen vorzuwerfen oder dessen Ansehen durch Verbreitung von Tatsachen im Bereich der Behörde zu untergraben, selbst wenn die Tatsachen zutreffend sind.“ Statt Lob habe er eine Disziplinarverfügung erhalten. Diese habe die Ministerin jetzt nach mehr als 45 Jahren aufgehoben.

Den Aufhebungsbescheid überreichte Wahlmann dem Sohn Christian Kramer sowie Gerd Hankel und Uwe Boysen als Weggefährten des mittlerweile 94-jährigen früheren Richters, der diesen aus gesundheitlichen Gründen nicht persönlich entgegennehmen konnte, wie es hieß. „Dr. Helmut Kramer war jahrzehntelang das Gewissen der niedersächsischen Justiz“, betonte sie. Er habe sich in „herausragender Weise“ um die Aufarbeitung von Justizunrecht in der NS-Zeit und dessen Fortwirkung in der Bundesrepublik verdient gemacht.

Kramer, der unter anderem auch an der Universität Bremen lehrte, wurde den Angaben zufolge für sein Engagement bereits vielfach ausgezeichnet. Er erhielt unter anderem den Hans-Litten-Preis, den Fritz-Bauer-Preis und das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse. Er selbst sagte, er freue sich vor allem darüber, dass mit der Aufhebung der Disziplinarverfügung von 1978 auch das damals noch herrschende obrigkeitsstaatliche Richterbild zurückgewiesen werde.