Psychologin: Für ukrainische Kinder kann Weihnachten schmerzlich sein

Weihnachten ist für ukrainische Kinder und Jugendliche in Deutschland nach Ansicht der Psychologin Esther Stroe-Kunold (Stuttgart) emotional sehr herausfordernd. „Schmerzliches zeigt sich dann besonders deutlich“, sagte die stellvertretende Leiterin der Landesstelle der Psychologischen Beratungsstellen in der württembergischen Landeskirche dem Evangelischen Pressedienst (epd). Viele der ukrainischen Familien seien ohne die Väter nach Deutschland gekommen. Und diese würden an Weihnachten noch stärker als sonst vermisst.

Viele fragten sich, ob sie überhaupt ein schönes Weihnachtsfest feiern dürfen, wenn der Vater, die Großeltern oder Freunde noch in der Ukraine im Krieg sind. Für manche sei es bereits das zweite Weihnachten in der Fremde, womit zahlreiche Familien anfangs nicht gerechnet hätten, weil sie davon ausgingen, dass sie bald wieder in ihre Heimat zurückkehren können. „Doch im Moment ist keine Rückkehr absehbar.“

Bei manchen machten sich auch Schuldgefühle breit, dass man sich in Sicherheit gebracht habe, während andere Familienmitglieder um ihr Leben bangen müssen. Hier seien die Gruppengespräche eine große Hilfe, die die Landesstelle online unter dem Namen „Reboot“ für Kinder und Jugendliche anbietet, und die von ukrainischen Psychologinnen geleitet werden. Beim Gespräch in der Gruppe merkten die jungen Menschen, dass andere sich auch so fühlten. Und sie lernten, dass sie sich nicht schuldig gemacht haben, weil sie gegangen sind. Sondern dass die Oma oder der Vater froh sind, dass sie nun in Sicherheit sind, erklärte Stroe-Kunold, die auch Psychologische Psychotherapeutin ist.

Die ukrainischen Psychologinnen, deren Supervisorin Stroe-Kunold ist, bieten den jungen Menschen an, über ihre Gefühle zu sprechen und erklären, dass es erlaubt ist, diese widerstrebenden Gefühle haben. „Ich darf traurig sein und schmerzhaft die Heimat vermissen, aber ich darf mich auch freuen auf Weihnachten und beim Lachen muss kein Schuldgefühl mitschwingen.“

In der Teenager-Gesprächsgruppe sei auch die Frage aufgetaucht, ob man bei allem Erlebten noch an Gott glauben könne. Andere hätten gerade in der herausfordernden Zeit erlebt, dass der Glaube sie stark mache. Außerdem hätten die Jugendlichen vom Lernstress berichtet, den sie haben, wenn sie die deutsche Schule besuchten und gleichzeitig noch zum ukrainischen Online-Unterricht gingen. Auch mit Blick auf Silvester seien die Gefühle der ukrainischen Kinder und Jugendlichen aus den Gesprächsgruppen gemischt: So hätten manche Angst vor dem 31. Dezember, weil das Feuerwerk sie an den Beschuss erinnere, den sie in ihrer Heimat erlebt hätten.

Im neuen Jahr hofft Stroe-Kunold, ein weiteres Angebot für ukrainische Kinder und Jugendliche auflegen zu können. Der Bedarf sei weiterhin sehr groß, es gebe Wartelisten. Das Online-Format habe sich bewährt, da es so möglich sei, Kinder an unterschiedlichen Orten zusammenzuführen. „Reboot“ wird vom Ukrainefonds der Evangelischen Landeskirche unterstützt. (3057/21.12.2023)