Der halbwüchsige Sohn hängt nur am Handy, die Teenie-Tochter verletzt sich selbst: Panik hilft laut Fachleuten in beiden Fällen nicht. Sie erklären, wann Hilfe nötig ist – und wann Gelassenheit.
“Ritzen” unter jungen Menschen ist kein Fall für die Notaufnahme – doch ernstnehmen sollte man diese Selbstverletzung laut einer Expertin durchaus. Ratsam sei, sich zeitnah in einer Ambulanz vorzustellen, wenn man entsprechende Verletzungen bemerke, sagte Kinder- und Jugendpsychiaterin Eva Möhler am Dienstagabend. Auch könnten Eltern ihrem Kind immer signalisieren, dass sie sich Sorgen machten. Möhler äußerte sich bei einer Veranstaltung der Zeitschrift “Psychologie Heute”.
Unterschätzt würden dagegen Essanfälle oder Erbrechen zur Gewichtsregulation, sagte die Professorin. Beides seien dysfunktionale Wege, mit denen Jugendliche mitunter versuchten, ihre Emotionen zu regulieren oder mit Anspannung umzugehen.
Das Phänomen, dass junge Menschen an Selbsttötung dächten, nehme seit der Corona-Zeit stark zu. “Das ist eine besorgniserregende Entwicklung”, betonte Möhler. Zugleich müsse selbst hinter suizidalen Phasen keine ernsthafte Erkrankung stecken. Denkbar seien auch Krisen, die etwa durch eine Trennung vom ersten Freund ausgelöst worden seien. Hilfe von Facheinrichtungen in Anspruch zu nehmen, sei daher nicht zwingend mit einem langen stationären Aufenthalt verbunden – aber unbedingt sinnvoll.
Auch wenn Mütter und Väter sich sorgten, dass das eigene Kind am Smartphone ein Suchtverhalten entwickeln könnte, rät die Familientherapeutin Cornelia Stöckel, dies in einem ruhigen Moment anzusprechen. Gefühle zu betäuben, etwa mit Alkohol, sei “eher ein Erwachsenenproblem”; bei jungen Menschen gebe es meist eine andere Motivation.
Möhler fügte hinzu, dass Ablenkung am Smartphone kurzfristig durchaus helfen könne, wenn sich eine Situation nicht anders lösen lasse. Daher sei Scrollen im Zweifelsfall besser als ein “Kinnhaken für den Bruder” oder eine Flucht zu anderen Suchtmitteln – zumindest vorübergehend.