Prignitz: Widerstand gegen Windkraftanlagen

Regelmäßig versammeln sich Demonstranten vor dem evange­lischen Kloster Stift zum Heiligen­grabe in der Prignitz, um gegen Windkraftanlagen zu protestieren, die dort gebaut werden könnten.

Gegen Winskraft in der Prignitz gibt es Widerstand (Symbolbild)
Gegen Winskraft in der Prignitz gibt es Widerstand (Symbolbild)Imago / Daniel Kubirski

Wie eine Monstranz trägt der Mann im blauen Pullover die Holztafel vor sich her, auf die er gepinselt hat: „Wald ist uns heilig“. Das fromme Adjektiv sollte eine Anspielung auf den Ort sein, vor dem sich eine Gruppe von 70 Demonstranten versammelt hatte: das evangelische Kloster Stift zum Heiligengrabe. Das traditionsreiche Frauenstift, dessen Ursprünge auf ein Zisterzienserinnenkloster zurückgehen, wurde hier im 13. Jahrhundert gegründet. Es ist heute ein geistig-religiöser, kultureller und touristischer Anziehungspunkt in der Prignitz im Nordwesten Brandenburgs.

Zehn Frauen gehören dem evangelischen Konvent an, der von Äbtissin Ilsabe Alpermann geleitet wird, einer Pfarrerin und promovierten Theologin. Das Klosterleben wird von zahlreichen religiösen, kulturellen, sozialen, ökonomischen, touristischen und Bildungsprojekten bestimmt, die mindestens einmal am Tag durch ein Gebet unterbrochen werden.

„Wir haben akut keine konkreten Pläne, Windräder zu bauen“

Der Stiftsforst des Klosters umfasst eine Fläche von 1785 Hektar. Deswegen sind die Demonstranten dort. Ein Teil des Waldes wird neuerdings als Bestattungswald genutzt; die Nachfrage sei hoch, sagt die Äbtissin des Klosters, die gleichzeitig die Geschäfte des gemeinnützigen Wirtschaftsunternehmens führt. Der Stiftsforst ist, zumal dort, wo der Wald entlang des Nadelbaches intakt ist, ein beliebtes Naherholungsgebiet. Unter Jägern, die regelmäßig an Jagden im Eigen­revier teilnehmen, wird die Wildausbeute geschätzt – und die Stiftsjagd im November mit feierlicher Hubertusmesse.

Äbtissin Ilsabe Alpermann
Äbtissin Ilsabe AlpermannUli Schulte Döinghaus

„Wir haben eine langfristige Perspektive für unseren Wald“, sagt ­Ilsabe Alpermann. „Was wir erwirtschaften, kommt dem Stift zugute. Damit erhalten wir hier unseren Geschäftsbetrieb, und es wird natürlich auch wieder im Wald selbst investiert, den wir kontinuierlich weiterentwickeln wollen.“ Es könne sein, dass das Thema „Windkraft“ irgendwann einmal auf den Stiftsforst zukomme, „aber wir haben akut keine konkreten Pläne, Windräder zu bauen“, sagt die Äbtissin und erklärt so, warum sie zu den Demonstrierenden vor dem Stiftseingang ebenso schweigt wie die Mitglieder ihres Aufsichtsgremiums.

­Interessengemeinschaft Hohe Heide

Der Heiligengraber Waldbesitz verteilt sich auf kleinere und zwei größere Standorte, ein stiftseigenes Waldstück ist ein paar Kilometer westlich in der Nähe der Ortschaft Bölzke, ein anderes liegt im Wald südlich der Hohen Heide. Entsprechend heißt eine Initiative, die ­immer wieder zum Protest in und um das Stift Heiligengrabe aufruft, ­Interessengemeinschaft Hohe Heide, deren Sprecherin die Kommunal­politikerin und Journalistin Fariba Nilchian aus Bölzke ist. Bei vielen ­ihrer Mitstreitenden soll es sich um Vermieter und Hausbesitzer handeln, die in Sorge um den Wert ihrer Investitionen sind. „Hohe Heide“ und andere Initiativen haben bisher 2000 Unterschriften gesammelt, um der Windkraft in Prignitzer Wäldern Einhalt zu gebieten.

Das Ziel der Windkraftgegner: In der Hohen Heide sollen Windkraftanlagen weder geplant noch gebaut werden. Denn die Interessengemeinschaft glaubt, dass im Wald­gebiet ein Windpark geplant werden könnte. Darüber wird zwischen Wittstock und Pritzwalk schon fast seit einem Jahrzehnt gestritten. Die Erkundungen und Planungsvor­phasen sind mittlerweile bei der überörtlichen Regionalplanungs­gemeinschaft angekommen, die am 27. Juni in Kyritz tagen wird. Dort wollen Windkraftgegner aus der ­Region gegen die Windkraft formieren.

Der Wald könnte ökologisch aufgewertet werden

Wenn sich die Kommunal- und Regionalplanungen auf Windkraft im Wald konzentrieren sollten, dann wäre das Kloster Stift zum Heiligengrabe als Forsteigentümerin womöglich bereit, Teile des Waldes an interessierte Energieunternehmen zu verpachten. Einige Kiefernflächen darin sind Kahlschlag oder Windbruch zum Opfer gefallen und so zu Standorten geworden, die für die Errichtung von Windkraftanlagen infrage kommen.

Was im Wald zugunsten der Windenergie an forstlicher Qualität eingebüßt wird, soll an anderer Stelle als Mischwald aufgeforstet werden. So will es das Gesetz. Sollte es jemals dazu kommen, dass Energieunternehmen an Standorten im Stiftsforst Interesse haben, dann wären die Pachterlöse willkommen, um notwendige Sanierungen an den denkmalgeschützten Gebäuden auf dem Stiftsgelände zu finanzieren, aber auch, um den Wald ökologisch aufzuwerten, der den Windkraftgegnern „heilig“ ist.