Presserat: Zahl der Beschwerden geht zurück

Der Deutsche Presserat hat im Jahr 2022 deutlich weniger Beschwerden verzeichnet. Am häufigsten haben Regionalzeitungen gegen den vereinbarten Pressekodex verstoßen.

Der Presserat hat 2022 weniger Beschwerden erhalten
Der Presserat hat 2022 weniger Beschwerden erhaltenImago / Michael Gstettenbauer

Die Zahl der Beschwerden beim Deutschen Presserat ist 2022 zurückgegangen. Mit 1.733 Eingaben erreichten deutlich weniger als im Vorjahr (2.556 Beschwerden) die freiwillige Selbstkontrolle der Presse, wie der Deutsche Presserat am Dienstag in Berlin mitteilte. Mehr als die Hälfte der Beschwerden betraf demnach die journalistische Sorgfaltspflicht. Ein Drittel (564) wurde abgewiesen, weil sie nicht den Anforderungen der Beschwerdeordnung entsprachen.

413 Beschwerden wurden in den Ausschüssen des Presserates geprüft und damit 88 weniger als 2021. Wie in den Vorjahren verstieß gut die Hälfte (234) gegen den Pressekodex, erklärte der Presserat. 156 Beschwerden wurden als unbegründet abgewiesen und 23 abgelehnt.

„Pointierte Meinungsartikel“

Nach Angaben von Presseratssprecherin Sonja Volkmann-Schluck gab es 2022 auch deutlich weniger Massenbeschwerden zu einzelnen Artikeln als in den Jahren zuvor (93 zu 534). Die Eingaben zur Corona-Berichterstattung gingen ebenfalls deutlich zurück (93 zu 457).

Auch der Ukraine-Krieg als das beherrschende Nachrichtenthema hat sich nur in geringem Maße in den Beschwerdezahlen niedergeschlagen, wie es hieß. Zu dem Thema gab es 78 Eingaben und damit nur gut vier Prozent des gesamten Beschwerdeaufkommens. 80 Prozent davon wies der Presserat als unbegründet zurück. „Viele der kritisierten Artikel waren pointierte Meinungsbeiträge, und die bewertet der Presserat nicht“, sagte die Sprecherin.

Weniger Rügen

Die Zahl der ausgesprochenen Rügen als schärfste Sanktion des Presserats ging mit 47 ebenfalls zurück (2021: 60). In jedem dritten Fall ging es dabei um Schleichwerbung, das heißt die unzureichende Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten. Ein weiterer Hauptgrund waren Verletzungen des Persönlichkeitsschutzes, beispielsweise die Veröffentlichung von Fotos ohne Einwilligung der Angehörigen.

Die meisten Rügen bekamen Regionalzeitungen, gefolgt von Boulevard- und überregionalen Tageszeitungen. Allein „Bild“ und „Bild.de“ kassierten 14 Rügen. 40 der 47 Rügen wurden wie gefordert in den Blättern veröffentlicht.

Ärger um Artikel zu Trans-Frau

Seit Jahren rückläufig sind laut Volkmann-Schluck Beschwerden über die Herkunftsnennung von Straftätern. 2022 gab es dazu 19 Eingaben, von denen 14 als unbegründet zurückgewiesen wurden. Infolge der Kölner Silvesternacht 2016 hatte der Presserat den Kodex 2017 neu gefasst. Dadurch sei die Unsicherheit in den Redaktionen zurückgegangen, sagte sie.

Zunehmend beschwerten sich dagegen Leserinnen und Leser über die Darstellung von geschlechtlicher Identität. Allein 63 Beschwerden gingen über einen Artikel in der Zeitschrift „Emma“ über die Grünen-Abgeordnete und Trans-Frau Tessa Ganserer ein. In dem Beitrag wurde Ganserer als Mensch bezeichnet, „der physisch und rechtlich ein Mann“ sei. Der Presserat sah darin jedoch eine zulässige journalistische Auseinandersetzung mit der Frage, wie Geschlecht definiert wird. Ebenso wies der Presserat acht Eingaben über einen Gastbeitrag bei „welt.de“ ab, der dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorwarf, er leugne die Zweigeschlechtlichkeit und sexualisiere Kinder.