Premiere im Deutschen Historischen Museum: Eine Schau für Kinder

Statt chronologischer Zeitleisten eine sinnliche Ausstellung zum Anfassen und Mitmachen: Das Deutsche Historische Museum lockt Kinder mit einem historischen Wimmelbild in die Vergangenheit.

Wie warm fühlt sich ein Marderpelz an? Wie weich ist brauner Samt und wie seidig grüner Taft? Das können Kinder jetzt im Deutschen Historischen Museum in Berlin selbst ertasten. Die Fühlstation, die junge Besucher die Mode reicher Patrizier vor 500 Jahren erahnen lässt, ist Teil der neuen Kinderausstellung “Rein ins Gemälde: Eine Zeitreise für Kinder”.

Präsentiert werden auf rund 400 Quadratmetern zahlreiche historische Objekte wie eine Ritterrüstung oder ein Schachbrett, Mitmachstationen und Videoinstallationen. Thema ist die Zeit nach dem Mittelalter. Die Schau über die frühneuzeitliche Gesellschaft wird am Wochenende eröffnet. Sie ist für Kinder im Grundschulalter und ihre Familien geeignet.

“Dass man selber was machen kann”, findet Schülerin Linda, sei grundsätzlich das Wichtigste bei einer Ausstellung für Kinder. Sie ist Mitglied des Kinder-Beirats, der das Museum bei der ersten eigenen Ausstellung für Kinder beraten hat.

“Hands on” heißt es entsprechend an vielen Stellen der Schau: Mit einem Lanzenspiel können die Kinder etwa selbst ausprobieren, wie sich die Turnierreiter der Frühen Neuzeit in Wettkämpfen erprobten. Es gibt eine große Murmelbahn, denn damals wie heute ist das Kugelrollen ein beliebtes Kinderspiel. Historische Instrumente wie etwa die Schalmei können per Klang erraten werden. Zudem gibt es einen Werkstattteil, in dem die Kinder die Restauration von Gemälden und Objekten nachvollziehen und selbst tätig werden können.

Im Zentrum der Ausstellung steht das Gemälde “Januar, Februar, März”, eines von vier Augsburger Monatsbildern aus der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Es zeige das neue Lebensgefühl nach dem Mittelalter und wurde “für die Ausstellung frisch restauriert und neu gerahmt”, sagte Kuratorin Petra Larass. Man sieht etwa ein Turnier, Musiker mit ihren Instrumenten, Händler, im Hintergrund eine schöne Landschaft. Es ist die Grundlage für die Ausstellung – “wie auf einem großformatigen Wimmelbild können Kinder Details entdecken, denen sie dann ganz konkret durch historische Objekte in der Ausstellung wiederbegegnen”.

Auch vier Figuren auf dem Bild – eine Patrizierin, ein Turnierreiter, ein Kaufmannssohn und ein Hirte – treffen die Kinder in der Ausstellung wieder: als lebensgroße Pop-Up-Figuren. Sie bilden den erzählerischen Leitfaden und führen über Hörstationen hindurch.

Die Ausstellung sei eine Art Probebühne, wie man den jungen Besuchern gerecht werden könne, sagte Stiftungspräsident Raphael Gross. Die Erfahrungen sollten in die neue Ständige Ausstellung einfließen, die einen großen Kinder- und Familienbereich enthalten solle. Die Kinder sollten “sehen, erkennen und sich wundern”, so Gross.

Dabei gehe es auch darum, den kritischen Blick der Kinder zu schärfen und Dinge zu hinterfragen, erklärte Kuratorin Stephanie Neuner. Das historische Wimmel-Gemälde sei “idealisierend” dargestellt und werfe Fragen auf, die damals wie heute aktuell seien – die Auswirkungen von globalem Handel etwa oder der Kluft zwischen Arm und Reich.

Grundschullehrerin Sonja Krumrick, deren Schüler beim Kinder-Beirat mitgewirkt haben, sagte bei der Präsentation der Ausstellung: “Am besten funktioniert Lernen, wenn man die Herzen der Kinder erreicht”. Außerschulische Lernorte seien deshalb wichtig. Drei Jahre lang hätten die Kinder Depotleitern, Reaturatoren und den Mitarbeitern an der Kasse immer wieder über die Schulter geguckt. “Es ist für sie jetzt kein Problem mehr, lang zuzuhören und Ideen zu entwickeln”, sagte Krumrick.

Dass Kinder grundsätzlich offen für Geschichte sind, zeigt sich auch am Ende der Ausstellung. Hier hat der Kinder-Beirat in verschiedenen Videos das letzte Wort. “Mich interessiert, wie man vom Krieg in den Frieden kommt”, sagt etwa ein Junge. Und ein Mädchen findet: “Geschichte kann sich wiederholen. Aber sie muss es nicht.”