Preidel: Es darf keine Angst vor dem Scheitern geben

Die bayerische Landessynode steht bei ihrer Herbsttagung in Amberg (24. bis 27. November) vor wichtigenden Entscheidungen. Unter anderem berät das Kirchenparlament über die eigene Verkleinerung von 108 auf nur noch 75 Synodale, über die Neustrukturierung der derzeit noch sechs Kirchenkreise, über den weiteren Weg in der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt sowie über eine bessere Beteiligung von Frauen in kirchlichen Führungspositionen. Im Mittelpunkt der Herbsttagung steht die Verabschiedung des Haushalts. Warum die Landeskirche nur noch 2025 finanziell in ruhigen Gewässern fährt und wo Weichenstellungen anstehen, erläuterte Synodenpräsidentin Annekathrin Preidel dem Evangelischen Pressedienst (epd).

epd: Der landeskirchliche Finanzchef hat vor wenigen Tagen angesichts sinkender Kirchensteuereinnahmen gesagt: Die Lage ist ernst, vor allem ab 2026. Wie besorgt sind Sie?

Annekathrin Preidel: Im Blick auf den Haushalt 2025 fahren wir in ruhigen Gewässern. Wir rechnen nochmals mit stabilen Kirchensteuereinnahmen von rund 770 Millionen Euro. Der weitere Blick in die Zukunft fällt leider nicht mehr so optimistisch aus. Wir müssen in der Tat die weiteren wirtschaftlichen Entwicklungen sehr diszipliniert im Auge behalten. Die nachlassende Konjunktur und die sinkenden Kirchenmitgliedszahlen werden Auswirkungen auf die Kirchensteuereinnahmen haben. Bei der Herbsttagung in Amberg stehen wir daher insgesamt vor entscheidenden Weichenstellungen.

epd: Die da wären?

Preidel: Zunächst einmal: Wir stecken mitten in der praktischen Umsetzung des 2017 gestarteten Zukunftsprozesses „Profil und Konzentration“ (PuK), der die Landeskirche zukunftsfest machen soll. Unsere Kirche darf nicht in alten Mustern stecken bleiben, sondern muss aktiv den Wandel gestalten. Dies erfordert Mut, Offenheit und die Bereitschaft, traditionelle Strukturen zu hinterfragen – auch die eigenen. Die Ressourcen und Mittel werden ja auch für den Verwaltungsapparat weniger, das muss sich dann auch dort bemerkbar machen. Gerade mit der Diskussion um die Reduzierung der derzeit sechs Kirchenkreise auf höchstens vier und um die Verkleinerung der Landessynode von 108 auf 75 Mitglieder stoßen wir zwei Türen in die Zukunft auf.

epd: Die Augsburger Regionalbischofsstelle wird vorläufig nicht wiederbesetzt, um die drei südlichen Kirchenkreise neu zu strukturieren. Bei der vergangenen Synode hat sich unter den schwäbischen Synodalen darüber Unmut breitgemacht. Wie soll der große Wurf gelingen, wenn sich schon jetzt Klein-Klein-Diskussionen andeuten?

Preidel: Diese Diskussionen sind ein Zeichen von Verantwortungsbewusstsein und gelebter Mitbestimmung in der Kirche. Die Synode repräsentiert die Vielfalt der Stimmen und Perspektiven innerhalb der Landeskirche. Es ist ihre Aufgabe, nicht nur das Beste für die Institution Kirche zu suchen, sondern auch für die Menschen, die durch sie vertreten werden. Solche Diskussionen, auch wenn sie manchmal kontrovers sind, sind geradezu notwendig, damit Entscheidungen im Geist von Transparenz, Verantwortung und Weitsicht getroffen werden – immer mit dem Ziel, den Glauben in die Zukunft zu tragen und den Bedürfnissen der Menschen in einer sich wandelnden Gesellschaft und einer sich wandelnden Kirche gerecht zu werden.

epd: Was ist nun konkret geplant für die südlichen Kirchenkreise?

Preidel: Der Synode wird in Amberg ein Erprobungsgesetz vorgelegt, das Raum für unterschiedliche Wege bei der Kirchenkreisreform eröffnet. Zugleich hat eine Arbeitsgruppe, an der Mitglieder der Landessynode und des Landeskirchenrats beteiligt waren, ein Konzept für die drei südlichen Kirchenkreise erarbeitet. Die Arbeitsgruppe schlägt die Gründung eines gemeinsamen Kirchenkreises Schwaben-Altbayern vor – mit einem Leitungsteam aus den Regionalbischöfen Thomas Prieto Peral und Klaus Stiegler. Dieses Modell könnte Vorbild für die drei fränkischen Kirchenkreise im Norden sein.

epd: Sie haben auch die Verkleinerung der Synode angesprochen. Wie könnte das Kirchenparlament dann künftig aussehen?

Preidel: Der Vorschlag der Arbeitsgruppe, der in die Vorlage des Gesetzes eingeflossen ist, sieht statt derzeit 108 Synodalen nur noch 75 vor. Das wären dann 60 gewählte und 15 berufene Synodale. Die bis jetzt starre Zuweisung durch feste Delegationsplätze – etwa für Vertreterinnen der evangelischen Hochschulen, Vertreterinnen der Evangelischen Jugend in Bayern oder der Politik – soll aufgelöst werden. Nach der Gesetzesvorlage soll künftig der Berufungsausschuss die Zusammensetzung der gewählten Synodalen insgesamt prüfen, daraus ableiten, wo es inhaltliche Lücken gibt und dementsprechend Personen mit passender Expertise berufen. Auch die Aufstellung der Kandidierenden für die Synode würde sich ändern. Es würde dann nicht mehr zwischen „ordiniert“ und „nicht ordiniert“ unterschieden werden, sondern zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen.

epd: Eine solche Beschneidung des eigenen Einflusses dürfte vielen bestimmt nicht leicht fallen, oder?

Preidel: Natürlich bergen Veränderungsprozesse immer ein gewisses Risiko. Es gibt keine Garantie dafür, dass jede Veränderung sofort zum Erfolg führt. Doch ohne das Ausprobieren neuer Wege bleiben wir in alten, nicht mehr funktionierenden Strukturen gefangen. Es darf keine Angst vor dem Scheitern geben. Nur eine Kultur des stetigen Lernens und Anpassens bringt uns voran. Wichtig ist, dass wir gemeinsam eine nachhaltige Perspektive für die Zukunft schaffen.

epd: Es gibt einen Antrag an die Synode, der sich mit der Arbeit der Synode befasst: Die starre Aufteilung in zwei Synodentagungen pro Jahr soll aufgelöst werden. Dafür soll es über das Jahr verteilt – auch digitale – Tagungsformate geben. Halten Sie eine solche Idee für umsetzbar?

Preidel: Ich finde alles sinnvoll, was zukunftsgerichtet ist. Natürlich kann man die großen zwei Präsenzveranstaltungen im Frühjahr und Herbst als alleinige Formate hinterfragen. Es steckt sehr viel Organisation dahinter, solche Tagungen vorzubereiten. Vielleicht wäre da eine schlankere Arbeitsstruktur tatsächlich hilfreich. Auf der anderen Seite haben wir noch alle die Corona-Jahre in Erinnerung, als wir nur digital tagen durften. Wir waren alle froh, als wir uns endlich wieder physisch begegnen konnten. Das muss man genau abwägen.

epd: Auch wenn es nicht auf der Tagesordnung steht – das Thema sexueller Missbrauch wird auch bei dieser Synode wieder eine Rolle spielen. Die eben zu Ende gegangene Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat dazu ja ein Maßnahmenpaket beschlossen.

Preidel: Der bayerische Landesbischof Christian Kopp war als Mitglied der Kirchenkonferenz bei der EKD-Synode und wird in seinem Bericht am Montag über die Ergebnisse sprechen. Außerdem gibt es noch einen Bericht von bayerischen Synodalen, die auch Mitglied der EKD-Synode sind. Das Thema steht ganz oben auf unserer Agenda, aber es ist vereinbart, dass wir als EKD-Gliedkirchen gemeinsam entscheiden werden. Es wird keinen bayerischen Alleingang geben. Das heißt, dass jetzt in Amberg – nur wenige Tage nach der EKD-Synode in Würzburg – wegen der zeitlichen Nähe noch keine grundlegenden Beschlüsse erwartet werden können. In den Aussprachen zu den Berichten im Plenum wird es aber eine wichtige Rolle spielen.

Ein Beispiel: Die EKD-Synode hat unter anderem beschlossen, dass die Betroffenen jeweils 15.000 Euro an Anerkennungsleistungen erhalten sollen. Den Landeskirchen wiederum steht es frei, diesen Grundbetrag nach eigenem Ermessen zu erhöhen. Die Kriterien für eine solche Erhöhung müssen wir sorgfältig beraten. Das können wir nicht im Hauruck-Verfahren innerhalb von zwei Wochen beschließen.

epd: Es geht um ein grundsätzlich einheitliches Vorgehen der Landeskirchen. Aber dennoch können ja eigenständige Akzente gesetzt werden…

Preidel: Die Landeskirche selbst ist und bleibt aktiv. Der Sprecher des Beteiligungsforums Sexualisierte Gewalt (BeFo) der EKD, Detlev Zander, hat uns ausdrücklich ermutigt, diesen Weg entschieden weiterzugehen: Im Jahr 2020 hat die bayerische Synode ein Kirchengesetz zur Prävention, Intervention und Aufarbeitung im Bereich sexualisierter Gewalt verabschiedet. Dieses Gesetz ist auf der Grundlage der ForuM-Missbrauchsstudie zu evaluieren. Für die Fachstelle „Prävention gegen sexualisierte Gewalt“ wurden im Jahr 2024 über 1,1 Millionen Euro bereitgestellt. Bis Ende 2025 sollen in allen evangelischen Kirchengemeinden in Bayern Schutzkonzepte implementiert sein. Daran wird intensiv gearbeitet. Und es gilt auch die Verstetigung der Stellen der Fachstelle in den Blick zu nehmen.

epd: Ein weiteres Thema, das im Sommer für Aufregung gesorgt hatte, war die Forderung einzelner Synodaler nach einer Quote für Frauen in landeskirchlichen Führungspositionen. Was ist dazu geplant?

Preidel: Es liegen verschiedene Eingaben und Anträge zu dem Thema vor. Der Landessynodalausschuss hat ebenfalls auf diese Forderungen reagiert und eine Vorlage für ein Kirchengesetz formuliert, das die Chancengerechtigkeit bei der Besetzung von Stellen im Landeskirchenrat sichern soll. Geschlechtergerechtigkeit in Führungspositionen wird ein wichtiges Thema in Amberg sein. Auch der landeskirchliche Personalchef Stefan Reimers steht einer flexiblen Frauenquote zwischen 40 und 60 Prozent offen gegenüber.

epd: Alles in allem hört es sich nach einer thematisch ungewöhnlich vollen Synodentagung mit handfesten Entscheidungen und viel Diskussionsbedarf an. Oder täuscht der Eindruck?

Preidel: Nein, der Eindruck täuscht nicht. Das wird tatsächlich eine sehr spannende Synodaltagung werden. Und ich freue mich auf die Diskussionen. Da werden einige zukunftsweisende Entscheidung für die evangelische Kirche in Bayern getroffen werden. (00/3659/22.11.2024)