Predigen in Gebärdensprache: So arbeitet eine Gehörlosen-Pfarrerin
Mit den Augen hören und den Händen verkündigen – das ist der Job von Daniela Milz-Ramming. Die Gehörlosen-Seelsorgerin aus Baden-Württemberg predigt in Gebärdensprache.
Daniela Milz-Ramming tauft, traut und beerdigt wie andere Pfarrerinnen und Pfarrer auch. Doch wenn sie predigt, braucht sie vor allem ihre Hände: Die 51-Jährige aus der Nähe von Ulm ist Landespfarrerin für evangelische Gehörlosen-Seelsorge in Württemberg und predigt in Gebärdensprache.
Die Seelsorgerin ist selbst hörend, liebt aber die Gebärdensprache: „Sie ist eine wunderschöne Art der Kommunikation.“ Bereits im Studium begann Milz-Ramming aus Interesse, Gebärden zu lernen und hat dann ihre Ausbildung zur Pfarrerin, das Vikariat, im Gehörlosen-Pfarramt gemacht.
Gebärdensprache besteht aus drei Teilen
Dass Gehörlose gebärden, war lange Zeit alles andere als selbstverständlich: Beim sogenannten „Mailänder Kongress“ im Jahr 1880 trafen sich Pädagogen, die übereinkamen, dass die Lautsprache bei der Ausbildung von Gehörlosen der Gebärdensprache vorzuziehen sei. Gehörlose sollten nur in Lautsprache unterrichtet werden und ihre Hände bei der Kommunikation nicht verwenden dürfen. „Erst rund ein Jahrhundert später, in den 1980er-Jahren, wurden die Gehörlosen selbstbewusster und begannen sich zu wehren, doch bis dahin war ihr Bildungsniveau bereits rapide gesunken“, erläutert Milz-Ramming.
Die Gebärdensprache besteht aus drei Teilen, berichtet die Seelsorgerin für Gehörlose. Als erstes erfolgt die Gebärde: Bei dem Wort „Marmelade“ beispielsweise eine Streichbewegung. Hinzu kommt ein Mundbild: Erst wenn der Mund zu dem Wort „Marmelade“ geformt wird, weiß man zum Beispiel, dass es sich um einen Fruchtaufstrich und nicht um Nutella handelt, das dieselbe Gebärde hat. Und als drittes braucht es auch noch die Mimik, die zeigt, ob man Marmelade mag oder nicht. Die Gebärdensprache hat einen internationalen Gedenktag; er wird jedes Jahr am 23. September begangen.
Gehörlose zeigen mit ihrer Mimik sehr deutlich, was sie wollen
„Die Gebärdensprache ist eine ehrliche Sprache“, sagt Daniela Milz-Ramming. Wenn jemandem etwas nicht gefällt, sei das deutlich im Gesicht zu sehen, was auch zu Problemen führen könne. Beispielweise zeigten gehörlose Menschen mit ihrer Mimik sehr deutlich, was sie ablehnten und was sie möchten – und das sei für hörende Menschen, die das nicht gewohnt sind, manchmal verstörend. „Aber mir gefällt das gerade, dass die Sprache den ganzen Körper mitnimmt“. Besonders liebt die Gehörlosen-Seelsorgerin Lieder in Gebärdensprache mit ihren Choreografie-artigen Bewegungen.
Auf ihrer Adressliste stehen 1.600 Menschen, die gehörlos oder hörgeschädigt sind und bereits in Kontakt mit der Gehörlosen-Seelsorge kamen. Gemeinsam mit einem Team von neun Pfarrerinnen und Pfarrern im Neben- und Ehrenamt sowie einer Diplom-Theologin bietet Milz-Ramming an zwölf Orten in Württemberg Gottesdienste an, zu denen jeweils 15 bis 80 Menschen kommen. Die Pfarrpersonen, die sie unterstützen, können meist nur zwei bis sechs Gottesdienste pro Jahr anbieten, da es zeitlich sehr herausfordernd ist, neben ihrem eigentlichen Amt in der Gemeinde die Gebärdensprache zu lernen und die Gottesdienste vorzubereiten.
Gehörlosen-Seelsorge bietet Freizeiten an
Doch nähmen viele Gehörlose oft eine lange Fahrt in Kauf, um sonntags in einen Gehörlosen-Gottesdienst zu gehen, um sich zu sehen, zu beten und anschließend Kaffee zu trinken. „Die Gemeinschaft ist immer sehr wichtig, es geht auch darum, unproblematisch kommunizieren zu können.“ Deshalb bietet die Gehörlosen-Seelsorge auch Freizeiten an, in denen „Gemeinde auf Zeit“ erlebt werden kann.
In seelsorgerlichen Gesprächen geht es auch immer wieder um Probleme, die aus der Gehörlosigkeit resultieren: wenn ein tauber Mensch beispielsweise, ohne es zu wissen, Geräusche im Fitnessstudio macht, die andere Besucher stören, oder es zu Missverständnissen mit Hörenden kommt, weil die oft aus Unsicherheit heraus sehr viel lächeln und dies die Mimik und das „Vom-Mund-Ablesen“ erschwert. Milz-Ramming rät hörenden Menschen, dass sie im Gespräch mit Gehörlosen diese direkt anschauen, in kurzen, einfachen Sätzen sprechen und das Gesprochene mit natürlichen Gesten unterstreichen.