Porträt: Domkantor Adrian Büttemeier

Adrian Büttemeier ist 28 Jahre alt und hat sie alle in der Hand: Als Kantor am Berliner Dom bringt er seit Anfang diesen Jahres den Chor und die barocke Architektur zum Schwingen.

Adrian Büttemeier
Adrian BüttemeierSascha Hänel

Adrian Büttemeier hält die Musik mit bloßen Händen zusammen. Ohne Taktstock animiert Adrian Büttemeier die 100 Sängerinnen und Sänger, konzentriert sich auf das Orchester, hört zu, greift ein. „Fallt mit Danken, fallt mit Loben“ aus dem zweiten Teil des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach erklingt. Es musizieren das Barockorchester Aris & Aulis, Gesangssolisten und die Berliner Domkantorei.

Auf Tobias Brommann kam Adrian Büttemeier

Im vergangenen Jahr trat Büttemeier die Nachfolge von Tobias Brommann an, der den Chor seit 2003 leitete. Gerade einmal 28 Jahre jung ist der gebürtige Westfale, der das Weihnachtsoratorium zwar schon oft gehört, oft das Continuo gespielt, und zwei, dreimal Mal gesungen, aber zuvor nur einmal dirigiert hat. Beim zweiten Mal macht der Domkantor es feinsinnig, nicht laut, stellt sich auf die schwierige Akustik des neobarocken Bauwerks ein, dessen Mauern er mit der Musik zum Schwingen bringen will. Selbst als das Tempo in einer Arie wackelt, bewahrt er seine Ruhe, bis alles wieder im Fluss ist. Später erklärt er: „Ich denke meist eine Seite voraus.“

Beim Bewerbungverfahren die Bass-Stimme selbst übernommen

Und erinnert sich: Beim Bewerbungsverfahren für das Amt des Domkantors 2022 war er bereits auf eine harte Probe gestellt. Der Solo-Bassist fiel kurzfristig aus und der Eingesprungene hatte die Partie noch nie gesungen: „In der Probe habe ich dessen Part dann vorübergehend einfach selbst hineingesungen“, erzählt der Dirigent, dessen eigene Stimmlage Bariton ist.

Kuppel Berliner Dom
Kuppel Berliner Domepd-Bild / Hans Scherhaufen

Das möchte er im Normalfall nicht tun, aber dieser Notfall gebot es. Im Besprechungsraum neben seinem Büro oben auf der Südostseite des Berliner Doms stehen ein Notenpult und ein Klavier, an der Wand hängt ein Poster mit dem Bild von Johann Sebastian Bach, auf dem Tisch leuchten in einem Kochtopf roten Tulpen. Sie wurden ihm nach seinem Eröffnungskonzert am 8. Januar überreicht.

Konzertexamen „Chorleitung“ live am 1. April im Berliner Dom

Drinnen stapeln sich die Noten der Markuspassion des Bach-Schülers Gottfried August Homilius (1714–1785). Ein selten aufgeführtes Werk. Es enthält Arien, die zum Teil 11 Minuten lang sind, 17 Choräle, herausfordernde Passagen – und nur ein Chormitglied hat die Passion schon mal gesungen. Am 1. April wird das Werk um 18 Uhr im Berliner Dom erklingen. Eine Prüfungskommission der Musikhochschule Saarbrücken wird im Kirchenschiff sitzen, um Adrian Büttemeier das Konzertexamen Chorleitung abzunehmen. Damit will er sein Studium, das er an der Musikhochschule in Detmold begonnen hat, abschließen.

Ausbildung führte ihn in das chorbegeisterte Skandinavien

Seine Ausbildung hatte ihn zwischendurch nach Skandinavien geführt. Er erfuhr, dass es in Schweden so viele Chorbegeisterte wie im Verhältnis Fußballbegeisterte in Deutschland gibt und schwärmt für das Licht im Norden: „Obwohl die Zahl der Sonnenstunden geringer ist, gibt es dort aufgrund der Küstennähe nicht so viel Regen wie in Berlin.“

Licht ist der Schlüssel bei Bach

Gefragt nach Schlüsselstellen in den Bach´schen Passion, nennt er den Schlusschor der Johannes – Passion „Ruhet wohl“ oder die Arie aus der Matthäus-Passion „Mache dich mein Herze rein“. Für ihn seien „die entscheidenden Stellen des Christentums, wenn das Licht auf- und durch das Kreuz hindurchbricht.“

Dom-und Staatschor Berliner Dom
Dom-und Staatschor Berliner DomImago / epd

Sich für den Beruf des Chordirigenten zu entscheiden, erscheint heute eher ungewöhnlich.

Warum gerade Dirigent?

Aber wenn Büttemeier über seine Vita spricht, ist die Entscheidung folgerichtig. Er fing mit Posaune an, dann kamen Klavier und Orgel hinzu. In seinem evangelischen Gymnasium in Gütersloh sei es üblich, dass der schuleigene Posaunenchor von Schülern geleitet und verwaltet wird. Er wurde als 14-Jähriger zum Dirigenten gewählt und erhielt Unterricht vom Heimatkantor. Da er gern mit Menschen arbeitet, studiert er nicht nur Kirchenmusik, sondern auch Dirigieren. In der Freizeit geht der Neuberliner gern wandern oder radeln. Die Proben in verschiedenen Ensembles geben den Rhythmus der Woche vor.

Weitere Aufführungen

Am Karfreitag, 7. April, um 15 Uhr, führt er Hugo Distlers „Totentanz“ mit dem Kammerchor in der Französischen Friedrichstadtkirche in Berlin-Mitte auf, im November das Requiem von Johannes Brahms mit dem Oratorienchor. Romantische Chorwerke will er auch mit einem sommerlichen A-Cappella-Programm präsentieren.

Almut Lüder ist freie Autorin