Evangelische Zeitung: Sie beschäftigen sich mit Popkultur-Theologie. Was ist das?
Patrick Haase: Das ist die Auseinandersetzung mit populärer Kultur im theologischen Kontext. Populäre Kultur, wie sie der Theologe Ingo Reuter definiert, ist eine emotional extrovertierte, rezipierte Massenkultur, die Sinn generiert. Popkultur hat das Potenzial, grundlegende Fragen der menschlichen Existenz zu thematisieren: Wer bin ich? Wohin gehe ich? Was gibt meinem Leben Sinn?
Diese Fragen beschäftigen uns auch in der Theologie. Popkultur-Theologie greift diese Fragen auf und verbindet sie mit religiösen Inhalten. Jesus Christus selbst hat in seiner Zeit eine Form der populären Kultur genutzt, um den Menschen die frohe Botschaft zu verkünden. Er sprach die Sprache des Volkes, nutzte Gleichnisse aus dem alltäglichen Leben und erreichte dadurch eine große Vielfalt an Menschen.
Ist Popkultur also eine moderne Form von Volksreligiosität?
Das kann man so sagen. Popkulturelle Phänomene, wie etwa Konzerte oder die Filmreihe „Star Wars“, schaffen ein Gemeinschaftsgefühl und sprechen existenzielle Themen an, ähnlich wie Religion. In der Popkultur gibt es auch Symbole, Rituale und Erzählungen, die religiösen Inhalten sehr nahe kommen. Denken wir zum Beispiel an die Figur des Anakin Skywalker alias Darth Vader aus „Star Wars“. Er durchlebt einen inneren Kampf zwischen Gut und Böse, was an biblische Figuren wie Simson oder Jakob erinnert, die ebenfalls mit ihrer dunklen Seite kämpfen.
Welche aktuelle Popkultur ist relevant für Gemeindearbeit?
Da sind Phänomene wie die Musikerin Taylor Swift oder die Fantasiewelt von „Der Herr der Ringe“. Sie bieten Reflexionsräume, die sich gut in Gottesdienste integrieren lassen. Sie erreichen Menschen über Generationen hinweg, schaffen Gemeinsamkeit.
Die Filme „Star Wars“ oder „Herr der Ringe“ sehen sich Menschen auf der ganzen Welt an. Eine Künstlerin wie Taylor Swift schafft es, Menschen aus unterschiedlichen Schichten und politischen Lagern zusammenzubringen.
Wie reagieren die Gemeindemitglieder auf solche Ansätze?
Die Reaktionen auf diese Ansätze sind überwiegend positiv. Besonders bemerkenswert finde ich, dass auch ältere Gemeindemitglieder sehr offen für popkulturelle Bezüge sind. Viele von ihnen sind selbst mit Phänomenen wie den Beatles, „Star Wars“ oder anderen kulturellen Meilensteinen aufgewachsen, so dass es keine allzu große Kluft zwischen den Generationen gibt. Natürlich gibt es auch vereinzelt kritische Stimmen, aber in der Regel sind die Menschen dankbar für die neuen Zugänge, die ihnen geboten werden.
Können Sie damit junge Menschen für die Kirche begeistern?
Popkultur bietet Jugendlichen eine Sprache und eine Lebenswelt, die ihnen vertraut ist. Insbesondere junge Menschen suchen oft nach Identität, Gemeinschaft und Sinn in einer Welt, die sie manchmal verunsichert.
Die Musik von Taylor Swift oder „Harry Potter“ bieten ihnen Orientierung und emotionale Ankerpunkte. Diese kulturellen Phänomene thematisieren ähnliche Fragen, wie sie auch im Glauben zentral sind: Wer bin ich? Was gibt meinem Leben Halt?
Was sind die Herausforderungen?
Popkultur darf kein Selbstzweck sein. Vielmehr muss sie in den Dienst der Verkündigung gestellt werden. Die symbolische und narrative Kraft von Popkultur muss genutzt werden, ohne die Ernsthaftigkeit der theologischen Inhalte zu verwässern.
Es braucht Fingerspitzengefühl, um die unterschiedlichen Erwartungen und Bedürfnisse zusammenzubringen.
Anne-Katrin Schwanitz ist Pressesprecherin der Regionalbischöfin im Sprengel Lüneburg.
